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Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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dass Thalmann es doch war, davon ausgehen, dass er – aus seiner Sicht – eine Rechnung beglichen hat. Eine Rechnung aus seinem Prozess. Dann aber hat er noch andere Rechnungen offen. Wir müssen also diejenigen schützen, die als Nächste auf seiner Liste stehen könnten.«
    Das verstehe er nicht, sagte Englin.
    »Ich verstehe es sehr gut«, sagte Desarts. »Gauggenrieder könnte auf der Liste stehen, der Vorsitzende im Thalmann-Prozess. Und mein alter Kollege Kropke, der die Anklage vertreten hat.«
    »Sie auch«, sagte Berndorf. »Sie waren auch dabei. Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir uns um diesen Pharmakologen kümmern müssen, den Sachverständigen von damals.«
    »Sie meinen Twienholt, Professor Gustav Twienholt«, sagte Desarts.
    Englin erklärte, dass er das selbst in die Hand nehmen werde. Twienholt sei eine wichtige Persönlichkeit. »Das ist ein
hoch angesehener Wissenschaftler, inzwischen natürlich emeritiert, aber noch immer jemand mit Namen!« Staatsanwalt Desarts warf Berndorf einen etwas ratlosen Blick zu, doch dieser zuckte nur mit den Achseln. Desarts würde es überleben, dass Englin ihn nicht für eine wichtige Persönlichkeit hielt.
    Na ja, dachte sich Berndorf dann. Das mit dem Überleben muss sich ja erst noch zeigen.
     
    Von seinem Büro aus rief Berndorf als Erstes in Görlitz an und berichtete Rauwolf von der nächtlichen Suchaktion nach den Leuten mit den K.-o.-Tropfen.
    »Es hat wohl nichts gebracht«, sagte er dann. Rauwolf schwieg. Schließlich fragte er kühl zurück, ob Ulm nicht besser den Fall überhaupt abgeben wolle.
    »Ich versteh’ Sie gut«, antwortete Berndorf verlegen. »Aber es ist hier passiert. Ich bin sicher, Täter und Motiv finden wir nur hier.«
    Er sei sich da nicht mehr so sicher, antwortete Rauwolf. »Wir haben noch einmal Tiefenbachs Wohnung durchsucht. Auffällig erscheint uns erstens, dass in den sehr sorgfältig geordneten Unterlagen Tiefenbachs keine privaten Dokumente zu finden sind. Zweitens haben wir Wischspuren an den Türklinken der Wohnung sowie an Schrank und Regaltüren gefunden, schließlich auch auf der Tastatur des PC, den Tiefenbach besessen hat.«
    »Da hat also jemand sauber gemacht«, sagte Berndorf.
    »Es sieht eher so aus, als ob der Betreffende Handschuhe getragen hat«, sagte Rauwolf. »Wenn Sie einverstanden sind, bitte ich einen Spezialisten des Landeskriminalamtes Dresden, sich anzusehen, was in dem PC gespeichert ist.«
    Berndorf sagte, dass das sicher eine gute Idee sei. Dann legte er auf und kam sich eine Weile lang dumm, alt und unfähig vor. Das wurde auch nicht besser, als Kastner anrief und mitteilte, dass die Frankfurter Kollegen die Sekretärin des
Anwalts zum Reden gebracht hätten, über den die Geldtransfers aus Mariazell gelaufen waren. Alle brachten etwas heraus, dachte er. Nur er saß mit leeren Händen da, einfallslos, ohne eine einzige Idee. Das Telefon weckte Berndorf aus seinem Trübsinn. Es war Wasmer.
    »Wir haben gestern Nacht den Warschau-Express gefilzt. Das Versteck war im Gepäckwagen. Sie hatten die innere Rückwand einen knappen Meter nach vorne gezogen. In dem Hohlraum gibt es sogar eine Sitzbank.«
    Berndorf wartete.
    »Es war eine irakische Familie, Großvater, zwei Söhne mit ihren Frauen, drei Kinder. Der Großvater hat ein Englisch gesprochen, dass ich neidisch geworden bin. Bis auf ein paar Dollars, die sie bei sich hatten, haben sie ihr letztes Geld ausgegeben, um die Flucht zu finanzieren.« Wasmer machte eine Pause. »Wir werden sie nach Tschechien zurückschicken. Kannst du mir mal sagen, warum ich diesen Scheißjob tue?«
    »Wegen der Kohle und deiner Pensionsberechtigung«, antwortete Berndorf. Er war heute nicht seelsorgerlich aufgelegt. »Kannst du mir eine Beschreibung von dem Versteck schicken? Fotos brauche ich auch, und Muster von den Schrauben und Scharnieren, die verwendet wurden.«
    »Und bis wann willst du das haben?«, fragte Wasmer.
    »Am besten noch heute Abend.«
    Wasmer sagte, er werde sehen, was sich machen lasse.
    Berndorf legte auf und wählte sofort neu. Am Apparat meldete sich wieder Rauwolf. »Ich werde am Sonntag kommen«, sagte Berndorf. »Können Sie es einrichten, dass ich am Montag mit jemand von den Bahnwerken reden kann?« Er erklärte ihm, warum.
    Tamar kam in sein Büro, effizient und ungerührt: Eine Aphrodite, den Fluten des Eismeeres entstiegen, dachte Berndorf. Der Anblick des toten Halberg und die unaufhörlich schreiende Anwaltssekretärin

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