Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten des Schwans

Der Schatten des Schwans

Titel: Der Schatten des Schwans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
Vom Netzwerk:
gibt es da ein Problem. Es war ja keine deutsche Firma, die mit den neuen Arzneistoffen auf den Markt ging. Die meisten Patente liegen in der Schweiz. Glaubt man der Fachliteratur, wurde das erste Phenothiazin-Präparat allerdings von einem französischen Arzt klinisch eingesetzt, der es zur Vorbereitung von Operationen verwandt hat. Das war 1950. Angeblich wurde erst danach entdeckt, wozu diese Präparate sonst noch gut sind. Phenothiazine schalten die Angst aus, die Aggressivität, sie stellen ruhig, sie dämpfen Erregungszustände. Die Nervenärzte und die Pfleger in den überfüllten Landeskrankenhäusern mussten das als ein Geschenk des Himmels empfinden.«
     
    »Ich nehme an, es haben nicht nur die Psychiater darauf zurückgegriffen«, sagte Berndorf.
    »Richtig«, antwortete Kovacz. »Angst, Aggressivität und Erregungszustände suchen nicht nur die Patienten der Irrenanstalten heim. Inzwischen gibt es eine ganze Palette von Medikamenten, die dem gestörten, gestressten, überforderten Menschen als Schutzfilter für seine wund gescheuerte Seele angeboten werden. Sie kommen sämtlich aus der gleichen Stoffgruppe. Stimmungsaufheller oder Thymoleptika sagt man dazu.«

    »Und Thalmann hat das geschluckt?«
    »Nicht nur er«, antwortete Kovacz. »Auch der Tote aus dem Steinbruch. Der war sogar voll gepumpt damit.«
    Berndorf hatte für einen kurzen Augenblick das Gefühl, als wolle sich in seinem Kopf ein Gedanke festsetzen. Dann war wieder alles leer. »Sie sagten, Thalmanns Behauptung sei dennoch nicht schlüssig?«
    »Schlüssig ist sie durchaus«, antwortete Kovacz. »Nur sind die Hersteller dieser Medikamente hoch seriöse französische, Schweizer und inzwischen auch deutsche Pharmaunternehmen. Mit Sicherheit hat jede dieser Firmen dafür gesorgt, dass sie keinesfalls mit irgendwelchen NS-Experimenten in Verbindung gebracht werden kann.«
    Berndorf überlegte, was Thalmann wohl mit dieser Auskunft beginnen würde.
    »Ich weiß, dass Sie das gerne klarer, eindeutiger hätten«, fuhr Kovacz nach einer Pause fort. »Eindeutig ist nur, dass eine Medizin, die das menschliche Gehirn mit den Mitteln der Chemie zu konditionieren sucht, ihre ersten, groß angelegten Versuchsreihen in Dachau und Buchenwald und Christophsbrunn hat durchführen können. Fragen Sie in Ludwigsburg mal nach den Ermittlungen gegen die Forschungsgruppe Remsheimer, Universität Tübingen.«
    »Ich habe morgen Vormittag einen Termin dort«, sagte Berndorf. »Der Staatsanwalt, der von Thalmann angeschrieben wurde, will mir Akteneinsicht geben. Etwas widerstrebend, aber immerhin.« Er dankte für das Bier und verabschiedete sich.
    Vor der Tür blieb er stehen. »Ich werde vergesslich«, sagte er. »Haben Sie diese Flachmänner mit Schnaps oder was auch immer schon untersuchen können?«
    »Ja«, antwortete Kovacz, »sehr interessant. Die beiden Mixturen sind sich sehr ähnlich, auch wenn sie unterschiedlich zusammengesetzt sind. Ich habe einen papierchromatographischen Vergleich gemacht. Sie können es auf einen Blick sehen.
Die beiden Taschenflaschen sind nicht in derselben Giftküche abgefüllt worden, haben allerdings beide die ziemlich gleiche Wirkung. Zusammen mit Alkohol garantiert Ihnen das Zeug einen völligen Blackout.«
    Berndorf wartete.
    »Im entscheidenden Punkt ist die Auskunft leider negativ«, sagte Kovacz. »Die beiden Proben haben nicht nur untereinander keine Übereinstimmung. Was dem Toten im Steinbruch gegeben wurde, ist eine wiederum völlig andere Kombination.«
    »Können Sie den Unterschied irgendwie charakterisieren?« Berndorf fragte nur für den Fall, dass Kovacz doch noch ein Kaninchen im Zylinder hatte.
    »Sie hatten mich neulich danach gefragt, ob in dem Steinbruch-Fall Leute vom Fach beteiligt gewesen sein könnten«, sagte Kovacz. »Das weiß ich wirklich nicht. Aber im Vergleich zu den Proben von heute Nacht kommt mir das, was dem Toten gegeben wurde, doch – subtiler vor, ein anderer Ausdruck fällt mir nicht ein. Subtiler, aber nicht weniger wirkungsvoll.«
     
    Die Nacht war kalt und windig. Berndorf ging nach Hause, plötzlich war er nur noch müde. Mit Barbara, freilich, hätte er gerne gesprochen. Aber die war über das Wochenende zu einem Workshop mit irgendwelchen jungen Studenten gefahren.
     
    Das Bœuf Stroganoff war etwas zäh, fand Burgmair. Ärgerlicherweise passte das zu Tamars Stimmungslage. Irgendwie nicht ganz da. Abweisend. Burgmair wollte wissen, ob es ein Problem im Dienst gebe.
    »Ach

Weitere Kostenlose Bücher