Der Schatten erhebt sich
nun versuchte sie ihn wieder zu ärgern, indem sie den Abritt verzögerte.
Als Faile endlich mit ihrem engen Hosenrock aufstieg, ritt sie näher an Perrin heran. Sie war eine gute Reiterin, die immer mit ihrem Pferd im Einklang schien. »Warum kannst du mich nicht darum bitten, Perrin?« fragte sie leise. »Du hast versucht, mich davon abzuhalten, mit dem Menschen zu kommen, zu dem ich gehöre. Deshalb bist du jetzt mit dem Bitten an der Reihe. Kann denn etwas so Einfaches so schwer sein?« Der Stein dröhnte wie eine ungeheure Glocke. Der Fußboden des Stalles wölbte sich; die Decke bebte und wäre fast eingestürzt. Traber bäumte sich wiehernd auf. Sein Kopf zuckte in Panik hin und her. Perrin konnte sich mit Mühe gerade noch im Sattel halten. Stallburschen rappelten sich vom Boden hoch und rannten verzweifelt von Pferd zu Pferd. Die Tiere schlugen aus und versuchten, aus den Boxen zu steigen. Loial hing am Hals seines riesigen Reittiers, und nur Faile saß sicher und elegant im Sattel ihrer wild tänzelnden und wiehernden Stute.
Rand. Perrin wußte, daß Rand dahintersteckte. Der Sog des Ta'veren riß an ihm. Es war, als zögen sich zwei Strudel in einem Fluß gegenseitig an. Er hustete, da überall Staub in der Luft hing, und schüttelte heftig den Kopf. Es kostete ihn ungeheure Mühe, nicht abzusteigen und in den Stein zurückzurennen. »Wir reiten!« schrie er, während neue Beben die Festung erschütterten. »Wir reiten sofort, Loial! Jetzt!« Faile schien ebenfalls ihre Verzögerungstaktik aufgeben zu wollen. Sie gab ihrer Stute die Fersen zu spüren; die stob hinaus neben Loials Pferd, ihre beiden Packpferde wurden mitgerissen, und so galoppierten sie auf das Tor zur Drachenmauer zu. Die Verteidiger blickten sich kurz um und sprangen zur Seite. Ein paar krabbelten sogar auf allen vieren davon. Es war ihre Pflicht, Menschen am Betreten des Steins, nicht aber jemanden am Verlassen zu hindern. Doch vermutlich konnten sie gar nicht klar genug denken, um sich in diesem Moment derartige Gedanken zu machen. Die Bebenwellen klangen gerade erst ab, und der Stein über ihnen ächzte noch.
Perrin mit seinem eigenen Packpferd folgte gleich dahinter. Er wünschte, das Reittier des Ogiers sei etwas schneller, oder er könne Loial einfach abhängen und dem Sog davonlaufen, der ihn zurückzog, dem Sog des Ta'veren zum Ta'veren hin. Zusammen galoppierten sie durch die Straßen Tears auf die aufgehende Sonne zu. Sie verlangsamten ihr Tempo kaum einmal, höchstens um Karren und Kutschen auszuweichen. Männer in engen Mänteln und Frauen mit Schichten von Schürzen starrten ihnen nach, halb betäubt noch von dem Beben. Manchmal konnten sie ihnen nur mit knapper Not ausweichen.
Nach der Mauer, die die Innenstadt abriegelte, machten die Pflastersteine den schlammigen, ungepflasterten Straßen der Maule Platz; aus den Schuhen und Mänteln wurden bloße Füße und nackte Oberkörper über Pumphosen, die von breiten Schärpen gehalten wurden. Die Menschen sprangen aber ebenso hastig zur Seite, denn Perrin ließ Traber genauso schnell weitergaloppieren, bis sie auch die äußere Mauer passiert hatten und sich zwischen verstreuten Bauernhäusern und Hecken befanden - und außerhalb der Reichweite des Sogs des Ta'veren. Erst dann ließ er Traber im Schritt gehen, und er selbst atmete fast genauso schwer wie das Tier.
Loials Ohren waren noch steif vom Schreck. Faile leckte sich die Lippen und blickte von dem Ogier zu Perrin hinüber. Ihr Gesicht war weiß. »Was ist geschehen? War das... er?« »Ich weiß nicht«, log Perrin. Ich muß weg, Rand. Das weißt du doch. Du hast mir in die Augen geschaut, als ich es dir sagte, und du hast geantwortet, ich müsse tun, was ich für richtig halte.
»Wo sind Bain und Chiad?« fragte Faile. »Sie werden jetzt bestimmt eine Stunde brauchen, um uns einzuholen. Ich wünschte, sie würden reiten. Ich habe ihnen angeboten, Pferde für sie zu kaufen, aber sie schienen richtiggehend beleidigt. Na ja, die Pferde müssen sich jetzt sowieso abkühlen.« Perrin hielt sich zurück und sagte ihr nicht, daß sie nicht allzuviel von den Aiel wisse. Er sah die Stadtmauer hinter ihnen und den Stein, der alles wie ein Berg überragte. Er entdeckte sogar die schlangenähnliche Gestalt auf dem Banner, das über der Festung flatterte, und die Vögel, die es umkreisten. Keiner der anderen konnte das sehen. Er hatte kein Problem, die drei Menschen auszumachen, die mit langen, lockeren Schritten auf sie
Weitere Kostenlose Bücher