Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten erhebt sich

Der Schatten erhebt sich

Titel: Der Schatten erhebt sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
konnte nicht feststellen, woher das rührte.
    Vielleicht ging es von ihnen allen gemeinsam aus.
    Jetzt schienen sich die Steinblätter nicht mehr in einer verborgenen Brise zu regen. Statt dessen kam ein Schimmer von Grün, von Leben, über sie. In der Mitte öffnete sich langsam ein Spalt, und die beiden Türflügel des Wegetores schwangen heraus. Sie enthüllten nicht den dahinterliegenden Hügel, sondern ein mattes Leuchten, in dem sich schwach ihre Spiegelbilder zeigten.
    »Man sagt«, murmelte Loial, »daß einst die Wegetore wie Spiegel schimmerten, und diejenigen, die durch die Wege gingen, schritten durch Sonnenschein und Himmel. Davon kann man jetzt nicht mehr viel sehen. Genauso verschwunden wie der Hain.« Perrin zog schnell eine der Laternen an ihrer langen Stange aus dem Gepäck und entzündete sie. »Es ist zu heiß hier draußen«, sagte er. »Ein bißchen Schatten wäre schon gut.« Er trieb Traber langsam, auf das Tor zu. Er glaubte, Faile noch einmal nach Luft schnappen zu hören.
    Der braune Hengst scheute, als er sich seinem eigenen, matten Spiegelbild näherte, aber Perrin trieb ihn weiter. Langsam, erinnerte er sich. Man mußte das ganz langsam in Angriff nehmen. Die Nase des Pferdes berührte zögernd die seines Spiegelbilds. Dann verschmolzen beide miteinander. Perrin näherte sich seiner eigenen Persönlichkeit, berührte... Eiskalt glitt es ihm über die Haut, hüllte ihn Haar um Haar ein, und die Zeit dehnte sich.
    Die Kälte verflog wie eine geplatzte Seifenblase, und er befand sich inmitten endloser Schwärze. Der Schein seiner Laterne schmiegte sich eng um ihn. Traber und das Packpferd wieherten ängstlich.
    Gaul schritt gelassen hindurch und begann damit, eine weitere Laterne anzuzünden. Hinter ihm befand sich, was wie eine Rauchglasscheibe aussah. Sie konnten dort draußen die anderen sehen, Loial, der gerade wieder auf sein Pferd stieg, Faile, die ihre Zügel raffte, doch alle bewegten sich ganz, ganz langsam. Die Zeit verlief innerhalb der Wege anders.
    »Faile ist sauer auf dich«, sagte Gaul, als die Laterne brannte. Der zusätzliche Lichtschein brachte nicht viel. Die Dunkelheit saugte das Licht auf, verschluckte es. »Sie scheint zu glauben, daß du irgendeine Abmachung gebrochen hast. Bain und Chiad... Paß auf, daß du nicht mit ihnen allein bist. Sie wollen dir Failes wegen eine Lektion erteilen, und wenn sie das fertigbringen, wirst du nicht mehr so einfach auf deinem Pferd sitzen können wie jetzt.« »Ich habe gar nichts versprochen, Gaul. Ich tue, wozu sie mich durch ihre Tricks gezwungen hat. Wir müssen früh genug Loial folgen, wie sie das haben will, aber solange ich kann, werde ich die Führung übernehmen.« Er deutete auf einen breiten, weißen Strich unter Trabers Hufen. Er war an einzelnen Stellen unterbrochen und verwittert, doch zeigte er ihren Weg deutlich an, bevor er wenige Schritte weiter in der Schwärze verschwand. »Das führt uns zum ersten Wegweiser. Dort müssen wir auf Loial warten, denn nur er kann lesen, was darauf steht, und entscheiden, über welche Brücke wir reiten müssen. Aber bis dorthin kann Faile durchaus einmal uns folgen.« »Brücke«, murmelte Gaul nachdenklich. »Das Wort kenne ich. Gibt es hier drinnen denn Wasser?« »Nein. Es ist nicht diese Art von Brücke. Sie sieht wohl genauso aus, aber... Vielleicht kann Loial es dir erklären.« Der Aielmann kratzte sich am Kopf. »Weißt du auch genau, was du tust, Perrin?« »Nein«, gab Perrin zu. »Aber das muß Faile ja nicht unbedingt wissen.« Gaul lachte. »Es macht Spaß, so jung zu sein, oder, Perrin?« Perrin runzelte die Stirn. Er war nicht sicher, ob Gaul sich nun über ihn lustig machte oder nicht. So hielt er Traber weiter im Schritt und zog das Packpferd an der Leine hinterher. Den Laternenschein würde man in zwanzig oder dreißig Schritt Entfernung vom Tor nicht mehr sehen können. Er wollte vollständig außer Sicht sein, wenn Faile durchkam. Sie sollte ruhig glauben, er habe sich entschieden, ohne sie weiterzureiten. Wenn sie sich eine Weile Sorgen machte, bevor sie sich am Wegweiser wiedertrafen, würde ihr das durchaus guttun.

KAPITEL
19

    Der Wogentänzer
    D ie goldene Sonne stand noch nicht weit über dem Horizont, als die glänzendschwarz lackierte Kutsche schaukelnd am Ende des Landestegs stehenblieb. Vier zusammenpassende Graue hatten sie gezogen und nun sprang der langhaarige, dunkle Kutscher im schwarzgold gestreiften Livree vom Bock und öffnete die Tür. An

Weitere Kostenlose Bücher