Der Schatten erhebt sich
Es paßt mir nicht, hier müßig herumzuhocken, Moiraine, gleich, was Ihr jetzt glaubt, aber ich bin schon in so viele Fallen getappt, daß ich nicht wieder hereinfallen möchte. Und ich will auch keine Irrlichter jagen. Ich... wir... sind diejenigen, die von der Amyrlin hinter Liandrin und ihren Hexen hergejagt wurden. Da Ihr zu denken scheint, sie seien nicht wichtig genug, um uns zu helfen und wenigstens ein paar Augenblicke dafür zu erübrigen, könntet Ihr euch wenigstens bemühen, uns keinen Knüppel zwischen die Beine zu werfen!« Sie schien bereit, ihren Zopf auszureißen und die Aes Sedai damit zu erwürgen. Moiraine ihrerseits befleißigte sich einer gefährlich kalten Ruhe, die andeutete, daß sie drauf und dran war, auch Nynaeve dieselbe Lektion über das Schweigen zu erteilen wie vorher Joiya. Elayne entschied, es sei höchste Zeit für sie, mit Schmollen aufzuhören und etwas zu unternehmen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie eigentlich in diese Rolle der Vermittlerin zwischen drei Frauen hineingetrieben worden war, und gelegentlich hätte sie ja gern alle drei am Kragen gepackt und geschüttelt, aber ihre Mutter hatte immer gesagt, im Zorn könne niemand eine gute Entscheidung fällen. »Fügt Eurer Liste dessen, was wir wissen möchten, noch etwas hinzu: Warum wurden wir zu Rand gerufen? Denn dorthin hat uns Careen gebracht. Jetzt geht es ihm natürlich wieder gut. Moiraine hat ihn geheilt.« Sie konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, wenn sie sich an den kurzen Blick erinnerte, den sie in Rands Zimmer geworfen hatte, aber das Ablenkungsmanöver schlug derweil voll ein.
»Geheilt?« Nynaeve schnappte nach Luft. »Was ist mit ihm geschehen?« »Er wäre beinahe umgekommen«, sagte die Aes Sedai so gelassen, als erzähle sie, daß sie eine Tasse Tee getrunken habe.
Elayne spürte, wie Egwene zitterte, als sie sich Moiraines leidenschaftslosen Bericht anhörten, aber vielleicht war es zum Teil auch ihr eigenes Zittern, das sie spürte. Blasen des Bösen, die durch das Muster trieben. Doppelgänger, die aus Spiegeln stiegen. Rand über und über von Blut und Wunden bedeckt. Fast nebensächlich erwähnte Moiraine noch, sie sei sicher, daß Perrin und Mat etwas Ähnliches durchgemacht haben mußten, doch unbeschadet davongekommen seien. Die Frau mußte Eis in den Adern haben statt Blut. Nein, sie war wütend genug über Rands Sturheit. Und sie klang nicht kalt, als sie vom Heiraten sprach, auch wenn sie sich Mühe gab, ihre innere Beteiligung zu verbergen. Aber nun klang es, als spreche sie darüber, ob ein Ballen Seide die richtige Farbe für ein bestimmtes Kleid habe.
»Und diese... diese Dinge werden so weitergehen?« fragte Egwene, als Moiraine geendet hatte. »Könnt Ihr nichts tun, damit das aufhört? Oder kann Rand nichts tun?« Der kleine blaue Edelstein, der auf Moiraines Stirn hing, schaukelte wild, als sie den Kopf schüttelte. »Nicht, bis er gelernt hat, seine Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten. Vielleicht auch dann noch nicht. Ich weiß nicht, ob er selbst stark genug ist, um diese - Ausdünstungen des Bösen - von sich fernzuhalten. Zumindest aber wird er besser in der Lage sein, sich dagegen zu verteidigen.« »Könnt Ihr ihm nicht irgendwie zur Hilfe kommen?« wollte Nynaeve wissen. »Ihr seid diejenige unter uns, die angeblich alles weiß oder zumindest so tut. Könnt Ihr ihm nichts beibringen? Wenigstens einen Teil dessen, was er wissen muß? Und zitiert nicht wieder Sprichwörter über Vögel, die Fischen das Fliegen beibringen wollen.« »Ihr würdet es besser wissen«, antwortete Moiraine, »wenn Ihr mehr Zeit mit Euren Studien verbracht hättet. Ihr solltet es wirklich besser wissen. Ihr wollt wissen, wie man die Macht anwendet, Nynaeve, aber Ihr wollt nichts über die Macht selbst erfahren. Saidin ist nicht Saidar. Die Ströme fließen anders, die Art zu weben ist eine andere. Der Vogel hat eine größere Chance.« Diesmal übernahm es Egwene, die Lage zu entspannen. »Inwiefern ist Rand denn wieder stur?« Nynaeve öffnete den Mund und so fügte sie schnell hinzu: »Manchmal ist er so stur wie ein Felsblock.« Nynaeve klappte den Mund wieder zu, denn sie alle wußten, wie sehr dies der Wahrheit entsprach.
Moiraine betrachtete sie nachdenklich. Gelegentlich war sich Elayne nicht sicher, ob ihnen die Aes Sedai ganz und gar traute. Ob sie überhaupt jemandem vertraute. »Er muß sich bewegen«, sagte die Aes Sedai schließlich. »Statt dessen sitzt er hier herum, und die
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