Der Schatten erhebt sich
wollköpfiger Maulesel, ein sturer Bock, ein Narr von einem... einem Mann!« Elayne hob zornig den Kopf. Ihr Kindermädchen Lini hatte immer gesagt, man könne eher Seide aus Schweineborsten weben, als aus einem Mann etwas anderes machen als eben einen Mann. Aber das war natürlich keine Entschuldigung für Rand.
»An den Zwei Flüssen züchtet man sie so.« Nynaeve machte plötzlich einen zufriedenen Eindruck und unterdrückte sichtlich ein Lächeln. Sie verbarg ihre Abneigung gegen die Aes Sedai nur selten so gut, wie sie selbst glaubte. »Die Frauen der Zwei Flüsse haben keine Probleme mit ihnen.« Dem überraschten Blick Egwenes nach zu schließen, war das eine so gewaltige Lüge, daß man ihr eigentlich hätte den Mund auswaschen müssen.
Moiraines Augenbrauen zogen sich zusammen, als wolle sie Nynaeve noch um einiges härter antworten. Elayne machte eine abwehrende Bewegung, doch ihr fiel nichts ein, was sie zur Beruhigung der Lage sagen konnte. Ihr ging immer nur Rand durch den Kopf. Er hatte kein Recht dazu! Aber mit welchem Recht beurteilte sie das?
Statt dessen sagte Egwene: »Was hat er getan, Moiraine?« Der Blick der Aes Sedai wandte sich Egwene zu, und er war so scharf, daß die junge Frau einen Schritt zurücktrat und ihren Fächer wieder aufklappte, um sich nervös Luft zuzufächeln. Dann traf Moiraines Blick auf Joiya und Amico. Die erstere beobachtete sie mißtrauisch, während die andere gebunden war und nichts sah als die hintere Wand des Raumes.
Elayne fuhr ein wenig zusammen, als ihr klar wurde, daß Joiya nicht gebunden war. Hastig überprüfte sie die Abschirmung, die die Frau von der Wahren Quelle abschneiden sollte. Sie hoffte, daß keine der anderen ihr Erschrecken bemerkt hatte. Sie selbst hatte Todesangst vor Joiya, aber weder Egwene und Nynaeve noch Moiraine schienen sie zu fürchten. Manchmal war es schon schwer, so tapfer zu sein, wie sie es als Tochter-Erbin von Andor sein sollte. Sie wünschte sich oft, damit ebenso gut fertigwerden zu können wie die beiden.
»Die Wachen«, knurrte Moiraine in sich hinein. »Ich habe sie immer im Korridor gesehen und mir daher nichts weiter dabei gedacht.« Sie strich ihr Kleid glatt und gab sich die größte Mühe, ihre Beherrschung wiederzufinden. Elayne konnte sich nicht erinnern, Moiraine jemals so erregt gesehen zu haben wie an diesem Abend. Aber natürlich hatte die Aes Sedai auch einen guten Grund dafür. Nicht mehr als ich. Oder? Sie ertappte sich dabei, daß sie Egwenes Blick zu meiden versuchte.
Wären es Egwene, Nynaeve oder Elayne gewesen, die ihre Beherrschung verloren, hätte Joiya ganz sicher etwas von sich gegeben, irgend etwas Subtiles, Doppelzüngiges, dazu geeignet, sie noch ein bißchen mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen. Zumindest, wenn sie allein gewesen wären. Aber in Moiraines Fall blickte sie nur verstört drein und schwieg.
Moiraine ging mit beinahe wiederhergestellter äußerlicher Ruhe am Tisch entlang. Joiya war wohl fast einen Kopf größer, aber selbst wenn sie ebenfalls in Seide gekleidet gewesen wäre, so hätte es doch keinen Zweifel daran gegeben, wer hier die Lage beherrschte. Joiya wich zwar nicht zurück, aber ihre Hände verkrampften sich einen Moment lang in ihren Rock, bevor sie sich wieder im Griff hatte.
»Ich habe Vorkehrungen getroffen«, sagte Moiraine leise. »In vier Tagen bringt man Euch mit dem Schiff flußaufwärts nach Tar Valon zur Burg. Dort wird man nicht so sanft mit Euch verfahren wie wir. Wenn Ihr bisher noch nicht zur Wahrheit gefunden habt, dann findet dazu, bevor Ihr den Südhafen erreicht habt, oder Ihr werdet todsicher den Weg zum Galgen im Hof Der Verräter antreten. Ich werde nicht mehr mit Euch sprechen, bis Ihr mir eine Nachricht senden laßt, daß Ihr mir etwas Neues zu sagen habt. Und ich will kein Wort von Euch hören - kein einziges Wort - das nicht neu ist. Glaubt mir, das wird Euch in Tar Valon Schmerzen ersparen. Aviendha, sagt Ihr bitte dem Hauptmann, daß er zwei seiner Männer hereinschicken soll?« Elayne blinzelte, als sich die Aielfrau aufrichtete und durch die Tür verschwand. Manchmal verhielt sich Aviendha so still, daß man sie gar nicht bemerkte.
Joiya verzog das Gesicht, als wolle sie etwas sagen, doch Moiraine starrte sie schweigend an, bis die Hörige des Schattens ihren Blick abwandte. Ihre Augen glitzerten wie die eines Raben. Ihr Blick sprach von Mord, doch sie blieb stumm.
In Elaynes Augen umgab plötzlich ein goldenweißes Glühen Moiraine,
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