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Der Schatten im Norden

Der Schatten im Norden

Titel: Der Schatten im Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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selig.
Plötzlich geriet er in Zorn über diese Vergeudung und
wankte hinüber zu ihr, um sie gewaltsam ans Fenster zu
ziehen. Doch sie hielt sich am Bett fest, so dass er an
einer Last schleppte, die über seine Kräfte ging. Von
Schmerz und Anstrengung gebrochen, ließ er sich
schließlich über sie fallen. Es wäre so leicht, jetzt
aufzugeben. Oh, was für eine Vergeudung.
Die Hitze war immer größer geworden. Der Türrahmen
stand in Flammen, und der Fußboden knarrte und ächzte
wie ein Schiff im Sturm. Die Luft war voller Geräusche
--- ein Knattern und Dröhnen, wie wenn die Flammen
hörbar wären. Alle möglichen Geräusche vermischten
sich, sogar Musik... Glockengeläut... Sie bewegte sich.
Ihre Hand fand die seine und hielt sie fest. »Sally?«,
sagte er.
Es hätte Sally sein können. Genauso hatte sie neben ihm
gelegen. Sally war furchtlos und stark, liebenswürdig und
unvergleichlich ... Lady Mary war schön, aber Sally
überstrahlte sie wie die Sonne. Wo war sie jetzt?
Merkwürdigerweise schien es ihm, als ertrinke er. Um
ihn wütete ein schrecklicher Schmerz, er spürte ihn, doch
zugleich betraf ihn das nicht wirklich. Stattdessen lag er
in diesem Kokon aus Schmerz und versuchte zu atmen.
Die Luft strömte wie Wasser in seine wunden Lungen.
Nun kam das Ende.
Er drehte den Kopf zu Sally, um sie ein letztes Mal zu
küssen, doch sie weinte winselnd. Nein, das konnte nicht
Sally sein, sie würde so etwas nicht tun. Sally musste
anderswo sein. Das Mädchen neben ihm konnte nichts
dafür. Er musste sie hier herausholen und --- Er streckte
sich zum Fenster hin, und der Fußboden brach ein.
IN DEN NORDEN
    Es war immer noch dunkel, als man seine Leiche
herausbrachte. Sally hatte mit den anderen im Laden
gegenüber gewartet, während die Feuerwehrleute den
Brand bekämpften. In einen geliehenen Mantel gehüllt,
hatte sie Websters Hand gehalten und kein Wort gesagt.
    Die Wartenden hatten jede Bewegung der
Feuerwehrleute verfolgt. Irgendwann gegen Morgen
hatte es zu regnen begonnen, was beim Löschen des
Brandes half. Das Feuer hatte so rasch um sich gegriffen
und mit solcher Macht gewütet, dass es bald keine
Nahrung mehr hatte. Im Regen konnten die
Feuerwehrleute in die schwelende Ruine eindringen und
nach Frederick und Isabel suchen. Dann war ein Ruf zu
hören. Ein Feuerwehrmann schaute einen Augenblick aus
der Ruine zum Laden gegenüber, andere kletterten zu
ihm hinauf.
    Sally stand auf und strich ihren Mantel glatt. »Willst du
ihn wirklich sehen?«, fragte Webster. »Ja«, antwortete
sie.
    Sie löste sanft ihre Hand aus der seinen, knöpfte den
Mantel zu und ging durch Nieselregen, Kälte und
Aschengeruch auf die andere Straßenseite hinüber.
    Sie brachten ihn so behutsam herunter, dass sie hätte
glauben können, er sei noch am Leben, wenn sich die
Männer nicht so langsam bewegt hätten. Sie legten ihn
im Schein einer flackernden Laterne auf eine Bahre und
traten dann für Sally beiseite. Einer der Männer nahm
seinen Helm ab.
    Sie kniete sich neben ihn. Er sah aus, als schlafe er. Sie
legte ihre Wange an seine und dachte, wie warm er sich
anfühle. Sie legte ihre Hand auf seine nackte Brust, wo
sie noch vor wenigen Stunden sein Herz hatte schlagen
hören, und sagte sich, wie still es nun sei. Wohin war er
entschwunden? Er war so warm... Es war ein Geheimnis.
Sie war wie versteinert, während er sich warm und
lebendig anfühlte.
    Sie küsste ihn auf den Mund und stand auf. Der
Feuerwehrmann, der seinen Helm abgenommen hatte,
beugte sich nieder und bedeckte Frederick mit einem
Tuch. »Danke«, sagte sie zu ihm und wandte sich zum
Gehen. Sie fühlte eine Hand auf ihrem Arm, und als sie
sich umdrehte, sah sie Webster.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte sie.
Er sah älter denn je aus. Sie hätte ihn gern umarmt, aber
    sie durfte jetzt nicht bleiben, sonst würde alles scheitern.
Sie hatte sich etwas vorgenommen, das sie jetzt tun
musste. Behutsam löste sie ihre Hand aus seiner,
schüttelte den Kopf und ging.
    In den nächsten achtundvierzig Stunden bewegte sich
Sally wie in Trance. Eine Idee beherrschte ihr ganzes
Denken, machte sie verschlossen für alles andere ---
abgesehen von ein oder zwei Augenblicken, als ein
Gefühl in ihr hochkam und sie beinahe überschwemmte.
Aber da gab es etwas, das sie tun musste, und sie musste
es für Fred tun. Das war Grund genug, sich jetzt keine
Gefühle zu erlauben.
    Sie hatte keine Erinnerung an ihre Reise in den Norden.
Sie musste wohl in ihre Wohnung

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