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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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kennen müsste oder ob ich mich gerade sonst irgendwie blamierte.«
    Tommy Jaglander streckte seine langen Beine auf dem Fußboden aus. Seine Schuhe waren akkurat geputzt. Als er das eine Bein über das andere schlug, bemerkte Hans Peter, dass das Preisschild noch unter der Sohle klebte.
    »Ich bin schon mal hier gewesen und habe sie abgeholt«, erklärte er. »Aber da waren Sie nicht da. Da habe ich nur diesen Santesson getroffen.«
    »Ja, ihm gehört das Ganze. Bitte, bedienen Sie sich doch.« Er schob ihm den Teller mit den belegten Broten hin. Jaglander wollte gerade nach einem greifen, besann sich jedoch.
    »Wissen Sie zufällig, woraus dieses Brot hier besteht?«
    »Das ist gewöhnliches Roggenbrot. Ulf Santessons Mutter backt es regelmäßig, wir servieren es zum Frühstück.«
    »Keine Zusätze? Zum Beispiel in Form von Hirse?«
    »Hirse? Was ist das?«
    Jaglander hielt einen kleinen Vortrag. Man merkte, dass ihm diese Frage schon öfter gestellt worden war.
    »Eine Getreideart. Wird hauptsächlich in Asien und Afrika angebaut, wächst aber auch hier. In Europa wurde sie übrigens schon in der Steinzeit angebaut, und in Schweden kennt man sie seit dem 18. Jahrhundert. Aus der Saat stellt man Korn und Mehl her, das man zum Backen und Kochen verwendet. Sobald ich allerdings eine Messerspitze Hirse verabreicht bekomme, sterbe ich.«
    »Oh, mein Gott.«
    »Jetzt verstehen Sie wahrscheinlich, dass ich fragen musste. Natürlich habe ich immer Spritzen und Gegengift bei mir.« Er zeigte auf einen kleinen schwarzen Lederrucksack, den er neben sich auf den Boden gestellt hatte. »Aber es dauert immer eine Weile, bis es wirkt. Und es ist nicht gerade witzig zu erleben, wie sich die Atemwege immer mehr verengen.«
    »Ich glaube aber nicht, dass Ulfs Mutter beim Brotbacken Hirse verwendet. Sie ist nämlich ziemlich konservativ, genau wie ihr Sohn. Aber zur Sicherheit werde ich sie anrufen. Es ist ja durchaus möglich, dass noch mehr Gäste auf der sicheren Seite sein wollen.«
    »Soweit ich weiß, gibt es außer mir nur noch eine Person in ganz Schweden, die unter dieser Allergie leidet. Eine Frau.«
    »Ich rufe dennoch an. Übrigens, wie spät ist es eigentlich?«
    »Halb zwölf. Nein, vergessen Sie es, ich verzichte auf das belegte Brot, wenn Sie es mir nicht übel nehmen. Alte Frauen gehen früh zu Bett.«
    Hans Peter servierte den Kaffee. Er selbst wollte keinen trinken, da er danach kein Auge zubekommen würde. Aber er würde sich eines der belegten Brote genehmigen und ein Glas Wasser dazu trinken.
    Jaglander sah sich um.
    »Nettes Hotel«, bemerkte er.
    »Stimmt. Es ist ganz okay.«
    »Drei Rosen. Warum heißt es so?«
    »Das weiß ich leider nicht.« Er war selbst erstaunt, dass er niemals danach gefragt hatte.
    Jaglander blies auf seinen heißen Kaffee und trank.
    »Ich kann mir vorstellen, dass Sie heute viel zu tun hatten.«
    »In dieser Jahreszeit ist immer viel los. Eine ganze Reihe ausländischer Gäste. Die Leute trauen sich nach dem 11. September wieder zu reisen.«
    »Aha, hatten Sie denn auch einen Rückgang verzeichnet?«
    »Ja, jedenfalls was ausländische Touristen betrifft.«
    Für eine Weile wurde es still. Aus einem der Zimmer im Obergeschoss hörte man das Rauschen einer Toilettenspülung. Tommy Jaglander bog seine Finger zurück, sodass es in den Gelenken knackte. Hans Peter hatte dieses Geräusch schon immer gehasst. Jaglander schien es zu merken.
    »Ist sie tüchtig?«, fragte er plötzlich.
    »Wie bitte?«
    »Meine Frau. Macht sie ihre Arbeit gut?«
    »Klar. Selbstverständlich. Wie Sie sehen, ist es nicht ganz einfach, hier alles sauber zu halten, aber sie tut, was sie kann.«
    Jaglander grinste. Er beugte sich über den Tisch und fixierte Hans Peter mit seinem nahezu phosphoreszierenden Blick. Reflexartig zog der sich zurück. Von diesem Bulldozer verhört zu werden war sicherlich nicht gerade das, wonach man sich sehnte.
    »Ich glaube, ich weiß, was Sie gerade denken«, sagte der Mann mit unbeeindruckter, nichtssagender Miene.
    »Was … was meinen Sie?«
    »Sie veranstalten hier ein lauschiges Kaffeekränzchen, aber am liebsten möchten Sie mir doch eins in die Fresse hauen.«
    »Nein … wie kommen Sie denn darauf?« Der Anblick Ariadnes zog vor seinem inneren Auge vorbei, ihre misshandelten, aufgeplatzten Lippen.
    »Wissen Sie, ich kann nämlich Gedanken lesen. Ich durchschaue die Leute. Das gehört zu meinem fob, und, ohne damit prahlen zu wollen, bin ich ganz gut darin.«
    Draußen

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