Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
Vom Netzwerk:
weiße Flugzeug landete.
    »Nun ja«, sagte Jill und zuckte mit den Schultern.
    Eine Frau im Overall mit weinrot gefärbtem Haar schob einen Wagen hinaus, der ausschließlich mit Tors und Jills Gepäck beladen war. Keine anderen Koffer oder Taschen. Sie winkte das Flugzeug mit zwei leuchtend orangefarbenen kleinen Kellen heran. Es kam ein paar Dezimeter entfernt von ihr zum Stehen. Das Motorengeräusch ebbte ab. Die Frau sicherte die Räder mit Bremsklötzen und streifte den zwei Propellerblättern Schutzbezüge über. Danach rückte sie mit einem Benzinschlauch an. Ihre breiten Hüften zeichneten sich unter dem Overall ab. Ein Gefühl der Lust begann, ihn zu durchströmen. Er gab Jill einen leichten Knuff.
    »Da sieht man mal!«, sagte er. »Selbst ist die Frau.«
    Sie nickte stumm. Es wurde Zeit, an Bord zu gehen. Zu seinem Erstaunen war das kleine Flugzeug nahezu vollbesetzt. Er wollte gerade eine scherzhafte Bemerkung darüber machen und Jill etwas in der Art sagen wie »wo kommen die denn alle her?«
    Doch dann blickte er in ihr Gesicht.
    Sie weinte.

HANS PETER HATTE SICH gerade auf seiner Pritsche in der Portierloge ausgestreckt, als es an der Tür klingelte.
    Verdammt, dachte er. Eigentlich hatte er gedacht, dass mittlerweile alle Gäste da seien.
    Er verspürte leichte Rückenschmerzen, vor einigen Jahren hatte er einen Bandscheibenvorfall erlitten und befürchtete nun, dass sich dasselbe Problem jetzt erneut bemerkbar machte. Mehrfach hatte er Ulf versucht zu überreden, ein Türschloss mit einem Code zu installieren, denn dann wäre alles viel einfacher. Gleichzeitig sah er jedoch ein, dass jegliche Art der Modernisierung eine Bedrohung seines eigenen Angestelltendaseins darstellen könnte. Doch Ulf hielt sowieso dagegen. Er hatte schon immer die alten, lang bewährten Traditionen bevorzugt. Sie waren Bestandteil seines Markenzeichens.
    Jetzt klingelte es erneut. Hans Peter kam langsam auf die Füße und fuhr sich mit der Hand durchs Haar, jedenfalls das wenige, was noch da war. Seine Mutter reagierte jedes Mal besorgt darauf, wenn sie sich trafen.
    »Du musst etwas gegen deinen Haarausfall tun, Hans Peter. Er kann möglicherweise von einer Krankheit herrühren. Und wenn es um Krankheiten geht, muss man aufpassen. Nur wenn man früh genug etwas dagegen unternimmt, kann man wieder vollkommen hergestellt werden.«
    Mäßig engagiert versuchte er dann zu erklären, dass seine zunehmende Glatze mit dem Alter zu tun hatte und dass das völlig normal war. Doch sie zuckte daraufhin zusammen, als hätte er sie geschlagen.
    »Mit dem Alter? Aber Hans Peter, du bist doch noch nicht alt. Schau deinen Vater an, ich weiß, dass du seine Haarfülle geerbt hast.«
    Sein Vater pflegte ihm daraufhin einen Blick zuzuwerfen und seine füllige weiße Haarpracht zu schütteln, dass die Schuppen nur so umherwirbelten.
    »Wir sind doch gewiss nicht alt, HP. Oder? Hier gehört nun wirklich keiner zum alten Eisen.«
    Seine Mutter tat sich schwer damit zu akzeptieren, dass sie bis jetzt immer noch keine Enkelkinder bekommen hatte und es nun mit größter Wahrscheinlichkeit zu spät war. Also schob sie die Altersfrage von sich. Außerdem begann sie, ein wenig dement zu werden. Oder vergesslich, um es weniger krass auszudrücken. Ihre beiden Herzinfarkte machten die Sache natürlich nicht leichter.
    Erneut klingelte es an der Tür, diesmal länger und eindringlicher. Hans Peter öffnete. Draußen stand ein Mann, der groß und kräftig war, aber ein rundes, fast kindliches Gesicht hatte. Sein Haar war stoppelig und sonnengebleicht, ohne jegliche Anzeichen einer Glatze. Er trug schwarze Jeans und ein weißes, eng anliegendes T-Shirt, das seine muskulösen, braungebrannten Arme betonte. Über seinen Schultern hing ein Pulli, dessen Ärmel lose über der Brust zusammengeknotet waren. Seine Augen waren von einem tiefen, intensiv leuchtenden Blau, als trüge er gefärbte Linsen. Er streckte seine Hand vor.
    »Guten Abend.« Die Stimme des Mannes war kräftig und gleichzeitig ein wenig angespannt. Hans Peter hatte ein Gehör für Nuancen.
    »Äh … guten Abend.«
    »Hätten Sie eventuell noch ein Zimmer frei für heute Nacht?«
    »Hmm, ich glaube nicht.« Hans Peter hatte das eigenartige Gefühl, dass ein unmittelbares Nein eine gewaltsame Reaktion hervorrufen könnte. Wie dumm, durchfuhr es ihn. Jetzt hast du dich aber wirklich von Justine und ihren Ängsten anstecken lassen. Er stellte sich hinter den Portiertresen, nahm das

Weitere Kostenlose Bücher