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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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auf der Straße gab eine Frau ein schrilles Kreischen von sich.
    »Du verdammter Mi … histkerl … ich bring dich u … um!«
    Jaglander rührte sich nicht.
    Die Frau schrie erneut und begann zu laufen. Man konnte hören, dass sie hochhackige Schuhe trug. Nach einer Weile war es wieder still. Hans Peter schob den Teller mit den nicht angerührten Broten zur Seite.
    »Es tut mir leid, aber Sie müssen mir auf die Sprünge helfen«, bat er.
    »Ha! Jetzt haben Sie schon wieder Angst!«
    Hans Peter schüttelte sich.
    »Sagen Sie doch einfach, was Sie meinen.«
    »Ihre Frau. Justine Dalvik. Ich weiß, dass Sie mitbekommen haben, was ich vorhin sagte. Nämlich, dass wir sie beobachtet haben, weil sie Dreck am Stecken hat. Aber Sie wollten nichts davon hören. Und deshalb versuchen Sie es einfach zu verdrängen. Aber es hilft nichts, Bergman. Sobald ich weg bin, wird es Ihnen wieder durch den Kopf gehen und Sie beschäftigen.«
    »Dreck am Stecken?«, wiederholte er matt.
    »Es handelte sich vornehmlich um einen Kollegen, der sie, wie soll ich sagen, in seine Obhut nahm. Hans Nästman. Ein guter alter Polizist. Leider ist er jetzt tot. Krebs. Diese Krankheit ist eine verdammte Pest.«
    Hans Peter starrte ihn an. Sein ganzer Körper fühlte sich an wie im Treibsand, seine Arme, seine Beine, alles schien bleischwer zu Boden gezogen zu werden.
    »Und was glauben Sie, hat sie getan?«, fragte er tonlos.
    »Na ja, ich würde mir jedenfalls so jemanden wie die nicht gerade zur Bettgespielin nehmen.«
    Wie sie, dachte er verwirrt. Wie sie, du Blödmann. Laut sagte er: »Aber was hat sie denn getan?«
    »Wollen Sie das wirklich wissen?«
    »Ja!« Er schrie fast.
    »Getötet.«

DER MORGEN WAR KÜHL, und es lag eine Vorahnung von Herbst in der Luft. Jill schloss ihr Fahrrad auf und strich mit der Hand über den nassen Sattel. Jetzt nahte die trübe Zeit mit morgendlichem Nebel, der die Navigation der Schiffe erschwerte. Viele scheuten sich davor, bei dieser Witterung in den Kanal zu fahren, und entschieden sich stattdessen, bei Bornhuvud vor Anker zu gehen und auf bessere Sicht zu warten. Das führte allerdings unter anderem dazu, dass der Dienst habende Lotse noch einige Stunden länger an Bord bleiben musste, obwohl er schon fast an der Schleuse angekommen war, wo er von Bord gehen und nach Hause fahren konnte, um seine Ruhezeit von neun Stunden einzuhalten und um für den nächsten Lotsenauftrag wieder fit zu sein. In bestimmten Situationen hatte das Schleusenpersonal sogar schon eines ihrer kleineren Dienstboote herausschicken müssen, um den Lotsen zu holen.
    Sie ließ sich mit dem Rad den Berg hinunterrollen und folgte dann dem Fußweg am Kanal entlang. Es war Viertel vor sechs. Kein Mensch war zu sehen. Manchmal begegnete ihr morgens ein Rudel Wild, das sich gerne in den Gärten der Villen aufhielt und äste. Die Tiere schienen überhaupt keine Angst zu haben; sie blieben ruhig stehen und betrachteten sie. Sie kamen aus dem Waldgebiet um Ragnhildsborg. Hier draußen befand man sich tatsächlich in der reinsten Wildnis, was ihr nicht bewusst gewesen war, als sie herzog. Ein absoluter Vorzug, dachte sie jedes Mal. Es war städtisch und ländlich zugleich. Und noch dazu nur einige Kilometer bis nach Stockholm.
    Sie passierte den Hafen für Freizeitboote auf der rechten Seite sowie das lange graue Bootshaus aus Wellblech. Ein Stück entfernt, linker Hand, lag die Minigolfbahn leer und verlassen da. Sie war in diesem regnerischen Sommer nicht gerade gut besucht gewesen. Direkt daneben stand ein Fabrikgebäude aus gelbem Backstein, das sowohl als Tabakfabrik als auch als Redaktion für die Länstidning genutzt worden war. Was befand sich jetzt wohl darin? Sie wusste es nicht. Die Türen zu Larssons Gemüseladen hingegen standen weit offen, und sie sah sogar Menschen, die sich darin bewegten. Das Personal begann früher am Morgen als sie selbst und noch dazu jeden Tag, die armen Teufel. Immer gab es Menschen, die noch schlechter dran waren.
    Ihre eigene Schichtarbeit mochte einem Außenstehenden natürlich auch hart vorkommen. Doch sie hätte es nicht anders haben wollen. Von Bürozeiten hatte sie die Nase voll. Heute würde sie von sechs bis halb drei Uhr nachmittags arbeiten und danach bis 22 Uhr frei haben. Dann begann die zähe Nachtschicht bis zum nächsten Morgen um sechs. Anschließend nach Hause und einige Stunden schlafen, bevor sie um halb drei wieder anfing und bis 22 Uhr arbeitete. Doch dann folgten drei freie Tage,

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