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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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holte sich eine Magnecyl. Goss Wasser in ein Glas und schluckte sie.
    Wir haben sie beobachtet.
    Jaglanders Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er erinnerte sich daran, wie verzweifelt Justine gerade darüber gewesen war. Verdächtigt zu werden. Sie war für so etwas nicht geschaffen, sie war schwach und empfindsam. Dieser Polizist Nästman, er war es, der die unfassbar plumpe Behauptung aufgestellt hatte, dass sie Unglück brachte. Durfte man so etwas als schwedischer Polizist überhaupt äußern? Sicher, es geschahen noch weitere traurige und unerklärliche Dinge, nachdem Justine heimgekehrt war. Aber ihr die Schuld daran zu geben! Jemanden zu treten, der schon am Boden lag!
    Hans Peter massierte die Haut über seinen Schläfen. Schloss die Augen, versuchte sich zu entspannen. Er war also tot, dieser Nästman. Dann hat er jedenfalls seine gerechte Strafe erhalten, dachte er in einem Anflug von kindlichem Zorn. Immer noch gärte die Wut in ihm, sie begann sich zwar ein wenig zu legen, aber müde war er jetzt nicht mehr, er würde kein Auge zumachen können. Er ließ Wasser ins Spülbecken ein und begann mit dem Abwasch. Wanderte umher und wischte alle Oberflächen mit einem Tuch ab, fand Flecken, die Ariadne übersehen hatte.
    Kurz nachdem er Justine kennen gelernt hatte, starb Flora Dalvik, ihre Stiefmutter. Sie wohnte in einem Pflegeheim in Råcksta, war nach einem Schlaganfall gelähmt und konnte sich nicht mehr bewegen. Das Schlimme war, dass sie starb, als Justine sie zum ersten Mal, seit sie krank geworden war, zu sich nach Hause geholt hatte. Kein Wunder, dass Justine die Schuld auf sich nahm.
    »Es war rein emotional zu viel für sie, ich hätte es wissen müssen, ich verdammte Idiotin. Alte und Kranke sind doch so empfindlich. Ich wollte ihr nur eine kleine Freude machen, wo doch die Tage im Pflegeheim so eintönig sind. Und das Personal, hätten die Schwestern mich in diesem Fall nicht warnen müssen, dass es eine große Belastung für sie sein könnte? Nein, das taten sie nicht, im Gegenteil, sie lobten mich, hätten doch nur mehr von unseren alten Menschen Angehörige, die sich öfter um sie kümmern, sie besuchen und mit nach draußen nehmen wurden, ich wollte ihr eine kleine Freude machen, Hans Peter. Und dann saß sie hier und starb!«
    Aufs Neue musste er sie trösten.
    »Glaubst du nicht, dass es in jeder Hinsicht besser für Flora war, in ihrem eigenen Zuhause zu sterben? In gewohnter Umgebung, zwischen all den Sachen, die ihr vertraut waren!«
    »Ich weiß nicht«, weinte Justine.
    »Und was wäre die Alternative? In steriler und anonymer Krankenhausatmosphäre. Mit gestresstem und überarbeitetem Pflegepersonal. So konnte sie wenigstens bei dir, ihrer nächsten Angehörigen, sein. Ist das nicht weitaus besser?«
    Dieses Gespräch fand lange Zeit, bevor er es wusste, statt. Lange, bevor Justine begonnen hatte, ihm von all den Übergriffen, denen die Stiefmutter sie während ihrer gesamten Kindheit ausgesetzt hatte, zu erzählen. Das alte Weib schien nämlich eine Sadistin gewesen zu sein. Nicht zuletzt das musste dazu beigetragen haben, das Kind Justine zu formen.
    Innerlich entschied er sich dafür, ihr zu helfen, ihr zuzuhören, sie zu stützen und ihr so zu ermöglichen, dieses entsetzliche Trauma zu überwinden. Er hatte früher sowohl Psychologie als auch Theologie studiert. Er hatte das Zeug zu einem Seelsorger, Menschen hatten ihn schon immer interessiert. Und in diesem Fall war es eben die Frau, die er liebte.
    Ein Unglück kommt selten allein. Eine Redewendung, die zu stimmen schien. Denn ungefähr zur selben Zeit, als Flora Dalvik starb, verschwand auch eine ehemalige Klassenkameradin von Justine, Berit Assarsson. Ein absolutes Rätsel, über das viel in den Zeitungen geschrieben wurde. Unglücklicherweise hatte sie Justine direkt vor ihrem Verschwinden besucht. Das trug natürlich dazu bei, dass die Polizei Justine, wie Jaglander angedeutet hatte, für eine Zeit in ihre Obhut nahm, sie also observierte. Als hätte sie nicht schon genug gelitten! Wie viel kann ein Mensch ertragen?
     
    Im Moment war sie ungeheuer labil. In sich gekehrt und schreckhaft, was er allerdings nicht ganz nachvollziehen konnte. Sie konnte nicht darüber sprechen und zog sich in sich zurück, wenn er versuchte, sie zu fragen. Er hatte festgestellt, dass die Angst in Schüben kam. Lange Phasen hindurch ging es ihr gut, und sie war fröhlich und voller Zuversicht. Dann jedoch versank sie plötzlich tief in dunklen

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