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Der Schatten im Wasser

Der Schatten im Wasser

Titel: Der Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger Frimansson
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gefunden hatte. Sie war beim Joggen ausgerutscht. Ihr eines Bein war schwächer als das andere, es handelte sich um die Folgen eines Unfalls in ihrer Kindheit. Er brachte sie nach Hause, und im Nachhinein hatten sie mehrfach festgestellt, dass es Liebe auf den ersten Blick war. Keiner von ihnen beiden konnte sich noch als jung bezeichnen, und noch einmal im Leben so ein Glück zu erleben, welch himmlisches Geschenk!
    Sie war eine liebevolle Freundin und Geliebte. Doch es gab auch andere Seiten an ihr, tiefe schwarze Löcher in ihrer Psyche. Krater. Sie ließ ihn diese ziemlich bald entdecken. Um ihn zu warnen, ihm eine Chance zur Flucht zu geben.
    Ihre abgrundtiefe Verzweiflung und die Schuldgefühle.
    »Die Leute um mich herum verschwinden einfach. Stell dir vor, wenn dir etwas passiert, Hans Peter. Ich bringe Unglück, es ist am besten, wenn wir uns nicht mehr treffen.« Ihr nacktes Gesicht, aus dem das Blut gewichen war, das die dünne Haut der Lippen purpurrot gefärbt hatte. Er küsste diese Lippen, leckte sie, sie weckte in ihm eine Lust, die er nie zuvor in seinem Leben verspürt hatte.
    »Du dummes kleines Mädchen. Ein Mensch kann kein Unglück bringen, das begreifst du doch wohl.«
    Wie er stundenlang bei ihr gesessen und sie beruhigend gestreichelt hatte. »Justine, ich verlasse dich nicht, denn von nun an sind wir zwei. Nur wir beide. Jetzt und in Zukunft.«
    Er war sich bewusst, dass seine Worte etwas hochtrabend klangen, doch irgendwie wurde er mitgezogen, und sie schien zuzuhören und wurde ruhiger.
    Nathan Gendser, der spurlos im Dschungel verschwand, war ihr Geliebter gewesen. Erstaunlicherweise weckte das in ihm keine Eifersucht. Der Mann war mit großer Wahrscheinlichkeit tot. Und in gewisser Weise geschah es ihm recht, obwohl man nicht so denken und es schon gar nicht aussprechen sollte. Er hatte ihr nicht gut getan, sie passten nicht zusammen. Er hatte sie mit auf diese lebensgefährliche Dschungelexkursion gelockt, um zu testen, wie viel sie aushielt. Eine Frau in ihrem Alter. Etwas rundlich und matt. Dass sie ihn nicht durchschaut hatte. Blind vor Verliebtheit natürlich. Hans Peter hatte sofort kapiert, wie es sich verhielt. Sobald sie es ihm erzählte, hatte er Gendsers Charakter durchschaut. Doch er hatte es ihr gegenüber nie ausgesprochen, denn es hätte nur eine weitere Kränkung für sie bedeutet.
    Die Zeitungen hatten ziemlich ausführlich über Nathans Verschwinden und den nachfolgenden Mord an dem Mädchen berichtet. Das war, bevor er Justine getroffen hatte. Aber er erinnerte sich noch an die Schlagzeilen. Eines Tages hatte sie ihm ein Foto gezeigt. Nathan Gendser über eine Harley-Davidson gebeugt. Sie hatte es ihm gestohlen, weil er nicht bereit war, ihr ein Foto von sich zu geben.
    »Das ist er. So sah er aus.«
    Sah! Sie sprach im Imperfekt.
    Er nahm das Bild und betrachtete es.
    »Hübsch. Ein richtiger Macho.«
    Sie hatte geschnieft, aber nicht geweint, und plötzlich riss sie das Foto mitten entzwei. An dem Abend saßen sie oben in ihrer Bibliothek, wo sie ein Kaminfeuer gemacht hatten. Sie warf die zerrissenen Schnipsel hinein. Gemeinsam saßen sie dort und beobachteten, wie die Flammen die Reste von Nathan Gendser verzehrten, sie zusammenrollten und schließlich zu Asche verwandelten.
    »Hör auf, dich selbst dafür verantwortlich zu machen!«, hatte er sie ermahnt. »Es war Nathan Gendser, der eure Gruppe leiten sollte, nicht du. Du hattest keinerlei Erfahrung mit diesem exotischen und unwegsamen Gebiet. Es war alles seine Idee. Sein Projekt. Seine Verantwortung. Du hast nichts damit zu tun.«
    Es nahm einige Zeit in Anspruch, sie zu überzeugen, Zeit und Kraft.
    Und dann war da noch Martina. Die Tochter eines Prominenten, ausgerechnet, klar, dass die Boulevardblätter sich auf sie stürzten und etwas vom Kuchen abbekommen wollten. Es gab Tage, an denen Justine sich nicht aus dem Haus wagte. Sie lagen in den Büschen versteckt, die Fotografen und Reporter. Wie Hyänen warfen sie sich auf sie, sobald sie auch nur die Tür öffnete.
    Selbst Martina gegenüber empfand sie Schuld.
    »Wir waren im Hotel angekommen … ich stand unter der Dusche, und ich war so müde. Ich erinnere mich noch daran, dass das Wasser immer kälter wurde, und dachte, dass sie nach mir duschen wollte und kein warmes Wasser mehr bekommen würde, es würde nicht reichen, aber irgendwie schaffte ich es nicht … und ich drehte den Hahn auf, und das Wasser rann, es war, als ob man niemals wieder sauber

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