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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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wirklich.«
    »Müssen Sie nahe rangehen, um das zu sehen?«
    Dieses Gespräch führte nirgendwohin und wurde genau deswegen gefährlich für mich. Ich musste versuchen, mich Palmer zu erklären.
    »Wissen Sie, Detective, ich schätze seine Bücher. Aber ich weiß wirklich wenig über den Mann hinter den Büchern. Es gab zwar andere Dinge, die ich herausfand, aber das war nur allgemeines Zeug aus den Zeitungen.«
    »Was sind denn das für Dinge?«
    »Ich weiß, dass Amos’ Frau Kate aus Hongkong kommt und aus einer wohlhabenden chinesischen Textilfamilie stammt. Sie schrieb Gedichte, als sie sich kennen lernten. Mit dem Schreiben hat sie aufgehört, als sie mit ihrer Tochter Greta schwanger war.«
    Palmer nahm noch einen Schluck von seinem Kaffee. Dann ließ er den Löffel in der Tasse kreisen wie einen Teebeutel. Er tat es langsam, so als wartete er auf mehr.
    »Okay. Sehen Sie«, sagte Palmer schließlich und legte den Löffel hin, »es ist vielleicht etwas ungewöhnlich, dass jemand sich so für einen Nachbarn interessiert, aber ich sage nicht, dass Sie etwas mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben.«
    Bevor er fortfuhr, zündete sich Palmer mit einem Streichholz aus einem fast leeren Päckchen eine Zigarette an und steckte es vorsichtig in seine obere Anzugtasche zurück.
    »Wenn ich später mit Mr. Amos spreche, wird er mich nach unserem Treffen fragen. Sie mögen seine Bücher, richtig? Sie schätzen seine Arbeit, und das werde ich ihm sagen.«
    Die heutige »New York Post« lag gefaltet auf einer Seite des Tisches, und ich musste an ihre berühmteste Überschrift von vor ein paar Jahren denken: »Kopflose Leiche in Oben-ohne-Bar gefunden.«
    »Wissen Sie, ich les auch gern Thriller«, sagte Palmer nun, »Jungs wie Pat Donnelly mag ich, oder wie heißt er noch mal, der Knirps mit dem Bart, der denkt, Cops essen nur Donuts … Diese Bücher sind wie eine gute Stripperin, offenbaren ihre Geheimnisse Stück für Stück. Ohne die Spannung, wer würde schon so lang bleiben wollen, richtig? Sind seine Bücher denn so?«
    »Vielleicht ein bisschen«, sagte ich unschlüssig, woraufhin er lachte.
    »Wenn ich Donnelly träfe, ich würd ihm sagen, dass Cops nicht nur Donuts essen.«
    Das amüsierte ihn, und er lachte noch einmal. Dann fischte er eine Visitenkarte aus seiner Jackentasche und gab sie mir.
    »Und Sie sagen, Sie haben das Mädchen seit Samstag nicht gesehen?«
    »Nein.«
    Er sah auf die Uhr und zog eine Fünfdollarnote aus seinem Lederportemonnaie und legte sie auf den Tisch, behielt aber einen Moment lang seine Hand darauf.
    »Nun gut. Wenn Sie sich an noch etwas erinnern, rufen Sie mich an«, sagte er. Dann kletterte er aus der Nische und verließ das Lokal. Ich sah ihm nach, wie er die Straße überquerte, bis er hinter einem dröhnenden Sechzehntonner verschwand. Nach einer Minute legte ich meinerseits Geld auf den Tisch und ging. Als ich die Seventh Avenue erreichte, begann ich schneller zu laufen. Auf unserer Seite der Straße standen mit Ausnahme von Durants Cadillac keine Autos. Der Cadillac hatte einen gelben Aufkleber der städtischen Straßenreinigung auf seinem Fenster. Erst da fiel es mir siedend heiß ein, dass ich Palmer von dem Mann hätte erzählen müssen, und dass ich ihn wegen meiner bizarren Begegnung mit Durant anrufen musste. Plötzlich schien es offensichtlich, dass er mit dem Verschwinden des Mädchens zu tun haben konnte, und ich fluchte über mich selbst, nicht daran gedacht zu haben.
    Nachdem ich Palmers Nummer gewählt hatte, hob seine Sekretärin ab und sagte mir, Palmer sei noch nicht zurück. Ohne eine Nachricht zu hinterlassen, legte ich auf und lief die Treppe nach oben und weiter ins Schlafzimmer. Ich griff zwei Nachthemden, die von einem Bügel hingen. Ich fand auch Claires Turnschuhe. Unter einem Haufen schmutziger Kleidung entdeckte ich das kleine Telefonbuch, um das sie mich gebeten hatte. Ich warf alles in eine Einkaufstasche und eilte wieder aus dem Haus, nervös und fiebrig, als ich die U-Bahn-Station auf der Seventh Avenue erreichte. Das Fiebergefühl hielt an, als der Zug in den Tunnel unter dem Fluss in die Stadt fuhr. Der Stress des Morgens saß mir in den Gliedern. Anders als sonst fühlte ich mich nicht sicher und geborgen in der sich nähernden, riesigen Anonymität Manhattans.

-12-
    D er größte Teil des Stoßverkehrs war vorüber, nur ein paar ältere Frauen schienen ihren freien Tag zu haben. Zwei obdachlose Männer schliefen, jeder auf einer der

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