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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Saur
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Randnotizen meines Vaters. Seine Schrift war sehr klein. Doch sie war angenehm vertraut. Seine Bemerkungen waren sehr kurz, »traurigerweise lustig« stand im Beckett, und noch »Im Warten liegt die Tugend«.
    Der nächste Morgen war grau. Ich verließ das Haus um Viertel vor acht, nervös wegen der bevorstehenden Begegnung mit dem Detective. Ich versuchte, mir selbst gut zuzureden, indem ich mir immer wieder sagte, dass der Anruf des Detectives Routine war und ich nichts zu befürchten hatte. Ich redete mir ein, dass, was auch immer der Detective wollte, es so schlimm nicht sein würde, jedenfalls nicht im Vergleich zu dreitausend Volt, die Claire in Luft hätten auflösen können.
    Das Cup & Saucer lag zwischen einem Reifenhändler und einem enormen Heizöltank, der einen süßlichen Duft verströmte. Durch das große Vorderfenster, das mit Neonschildern für Cappuccino, Pommes und Käsekuchen geschmückt war, konnte ich sehen, dass das Restaurant mit Ausnahme eines Mannes in der letzten Nische unter dem Gemälde der Akropolis leer war. Als ich das Restaurant betrat, erhob sich der Mann und kam aus der Nische. Er bewegte sich mit der schwerfälligen Eleganz eines ehemaligen Athleten. Sein Anzug war schokoladenbraun und um die Schultern etwas zu eng. Ich bemerkte ein Muster aus kleinen, fliegenden Elefanten auf seiner Krawatte.
    »Galvin Shelby«, begrüßte er mich.
    »Detective Palmer?«
    Er lächelte, was so viele Falten um seinen Mund und seine Augen erzeugte, dass er von einer Sekunde zur nächsten müde wirkte.
    »Danke, dass Sie’s geschafft haben«, sagte er und setzte sich wieder. Als ich mich selbst in die Sitznische zwängte, warf ich eine Ketchup-Flasche um, die er blitzschnell fing, bevor sie vom Tisch rollen konnte. Die blonde Bedienung, die hinter der Frühstückstheke eine Zigarette rauchte, sah verträumt zur Decke. Als Palmer seinen Kopf aus dem Kragen hob und seinen Nacken streckte, um das Mädchen herzuwinken, verschwanden seine Hängebacken und gaben den Blick auf einen jüngeren Mann frei. Ich schätzte Palmer auf ungefähr fünfundvierzig. Palmer nickte mir zu, nachdem sein Nacken wieder in seinem Kragen saß, dann bestellten wir Kaffee. Ein schwerer Lastwagen nach dem anderen polterte von Manhattan kommend die Third Avenue in Richtung Süden herunter.
    »Danke fürs Kommen.«
    »Natürlich.«
    »Zwei Mädchen sind verschwunden«, kam er dann direkt auf den Punkt. »Eines verschwand vor zwei, falsch, nein, vor drei Tagen. Das andere Mädchen verschwand vor zwei Tagen.«
    Palmer hob seine Hand leicht und hörte auf zu sprechen, als die Bedienung sich mit der Kaffeekanne näherte. Der Detective nahm noch einen Schluck, bevor sie nachgoss, und tupfte dann seinen Mund mit der Serviette ab, um anschließend ins Papiertuch zu sehen.
    »Ihr Nachbar schlug vor, dass wir mit Ihnen sprechen. Ist im selben Geschäft wie Sie«, sagte er. »Verstehen Sie, es ist nämlich seine Tochter, die vermisst wird, das zweite Mädchen.«
    Er nickte.
    »Der Vater erwähnte Ihren Namen«, sagte er nun.
    »David Amos?«, fragte ich verdutzt. »Seine Tochter wird vermisst?«
    Für eine Sekunde verengten sich Palmers Augen.
    »Wir sind nicht zu hundert Prozent sicher, ob zwischen dem Verschwinden der beiden Mädchen ein Zusammenhang besteht, aber wir wissen, dass sie einander kannten. Sehen Sie, ich bin ganz ehrlich mit Ihnen. Der Vater glaubt, Sie könnten mit dem Verschwinden etwas zu tun haben.«
    Obwohl mir der Atem stockte, glaubte ich zu bemerken, dass der Detective seine Anschuldigung in fast harmloser Art vorbrachte, seine Stimme sogar einen vertraulichen Ton annahm. Doch dann holten mich seine überanstrengten, geröteten Augen, die mich fest im Blick hatten, wieder auf den Boden zurück, und ich erkannte diesen Satz als Kern unseres Treffens.
    »Amos glaubt, Sie hätten was mit dem Verschwinden seiner Tochter zu tun«, sagte er noch einmal, rührte in seiner Tasse und fragte: »Wie lang wohnen sie schon hier?«
    »Etwas länger als ein halbes Jahr«, antwortete ich.
    »Sehen Sie«, erwiderte Palmer, »dieses Mädchen, Greta, kam gestern nicht nach Hause, und ihr Vater rief uns abends an, um ihr Verschwinden zu melden. Vielleicht blieb sie über Nacht bei einem Freund, von dem niemand etwas ahnt, und dann noch eine Nacht. Passiert oft in dem Alter. Aber ihr Vater ist verständlicherweise nervös. Er hat die Flugzettel gesehen, die die andere Familie aufgehängt hat.«
    Er schwieg kurz, schien

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