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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wie das Zeremoniell es vorsah. Obwohl ihr Onkel ihr nahegelegt hatte, in formeller Kleidung bei Hof zu erscheinen, trug sie eines ihrer schmal geschnittenen altmodischen Kleider.
    Der Duke und Quayle schienen sich von früheren Begegnungen zu kennen, jedoch blieb Sarah nicht verborgen, dass eine gewisse Distanz die beiden Männer trennte – und das nicht nur, weil der Herzog dem Hochadel angehörte. Man wies den Besuchern Plätze in den Ledersesseln an, die dem Sofa gegenüberstanden, und sowohl Sarah als auch der Inspector nahmen Platz. Als Sarah sich dabei dem kleinen Tisch näherte, stieg ihr ein leicht bitterer Geruch in die Nase, der von einem der Fläschchen ausging und der sie an etwas erinnerte, das lange zurücklag…
    »Ich kann Ihnen nicht sagen, Lady Kincaid«, begann der Duke, »wie sehr ich Ihre Anwesenheit in London schätze. Ich weiß, dass Sie viel auf sich genommen haben, um aus dem fernen Yorkshire hierherzukommen, und ich darf Ihnen versichern, dass sowohl Ihre Majestät als auch ich diesen Dienst wohl zu schätzen wissen.«
    »Sie sind sehr freundlich, Euer Hoheit«, erwiderte Sarah. »Mein Vater hat es stets als Privileg betrachtet, dem Königshaus dienen zu dürfen, und er hat diesem viel zu verdanken. Betrachten Sie meine Anwesenheit in London also als eine Frage der Familienehre.«
    Der Duke lächelte dünn, was seine Kräfte fast zu überfordern schien. »Wissen Sie, dass ich Ihren Vater kannte?«, fragte er dann.
    »Tatsächlich?«
    »Allerdings. Er war es, der meine Liebe zur Archäologie und insbesondere zu den Geheimnissen des alten Ägypten entfachte.
    Eine Leidenschaft, die mir – wie Sie sehen können – bis heute erhalten geblieben ist.«
    »In der Tat.« Sarah nickte. »Sie haben hier einige sehr schöne Stücke, Euer Hoheit.«
    »Was Sie hier sehen, ist nur ein kleiner Teil der Sammlung, die sich in meinem Besitz befindet. Es wäre mir eine Freude, Sie herumführen und Ihnen alles zeigen zu dürfen.«
    »Es wäre Lady Kincaid sicher eine Ehre, Euer Hoheit«, schaltete Quayle sich ungefragt in das Gespräch ein, »aber bitte vergessen Sie nicht, dass es dringlichere Angelegenheiten zu besprechen gibt.«
    Erneut brachte der Herzog ein schwaches Lächeln zustande. »Dieser Mann«, meinte er, »ist wie ein schlechtes Gewissen. Immer dann, wenn ich gerade anfange, an etwas anderes zu denken, meldet er sich zu Wort. Ich kann nicht…« Er unterbrach sich, als sein hagerer Körper von einem Krampf geschüttelt wurde. Die Hände des Dukes begannen noch mehr zu zittern, und Sarah fiel der Ring auf, den der Herzog an seiner linken Hand trug – ein goldener Siegelring, der einen Obelisken zeigte…
    Einer der Diener, die sich dezent im Hintergrund hielten, trat vor und verbeugte sich. »Euer Hoheit«, sagte er leise, »verzeihen Sie die Störung, aber es ist Zeit.«
    »Natürlich«, flüsterte der Herzog mit verklingender Stimme. »Zeit für meine Medizin…«
    Der Diener trat vor und griff nach einem der Fläschchen, träufelte etwas davon auf einen Würfel Zucker und verabreichte es seinem Herrn. Der königliche Enkel schluckte die Substanz und schloss die Augen – und schon im nächsten Moment verbesserte sich sein Befinden sichtlich. Das Zittern seiner Hände ließ nach, und auch sein Allgemeinzustand schien sich zu stabilisieren.
    Sarah war keine Medizinerin, dennoch wusste sie, dass es kein Medikament gab, das bei Patienten eine solch rasche Wirkung hervorrief – es sei denn, die Krankheitssymptome wurden ebenfalls durch ein Medikament hervorgerufen. Plötzlich erinnerte sich Sarah auch, woher sie den Geruch kannte, den sie für einen kurzen Moment wahrgenommen hatte: Es war der bittersüße Geruch von Laudanum.
    Albert Victor, der Duke of Clarence und Avondale und Enkelsohn ihrer Majestät der Königin, war süchtig nach Opiaten…
    Sarah nahm einen tiefen Atemzug und setzte alles daran, sich ihre Bestürzung nicht anmerken zu lassen. Dies war in der Tat eine Enthüllung, mit der sie nicht gerechnet hatte, und sie fragte sich, ob Mortimer Laydon als königlicher Leibarzt davon gewusst hatte.
    Sie warf Quayle einen Blick zu, der jedoch so tat, als würde er sich brennend für ein altägyptisches Relief interessieren, das an der Wand hing und den Krokodilgott Suchos darstellte. Die Schwäche des Herzogs schien ein offenes Geheimnis zu sein, das man höflich ignorierte, also nahm Sarah sich vor, es damit ebenso zu halten.
    »Besser«, sagte der Herzog nur und nickte, worauf der

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