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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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wiederholt sich?«, hakte Sarah nach, nur am Rande registrierend, dass der Duke in die vertraute Anrede verfallen war. »Was genau meinen Sie damit, Euer Hoheit?«
    »Was ich damit meine?« Der Herzog lachte freudlos. »Verstehen Sie mich denn nicht? Muss ich alles erklären? Ich dachte, Sie wären eine Spezialistin auf Ihrem Gebiet!«
    »Andere haben das von mir behauptet, nicht ich selbst, Euer Hoheit«, stellte Sarah klar. »Ich darf von mir behaupten, dass ich auf dem Gebiet der angewandten Archäologie einen herausragenden Lehrmeister hatte – dennoch kann ich nicht von mir behaupten, dass ich verstehe, was Sie mir zu sagen versuchen.«
    Einmal mehr zuckte Quayle neben ihr zusammen. Sarahs Art, die Dinge direkt auszusprechen, setzte dem Inspector zu. Der Duke hingegen schien es gar nicht zu bemerken. Seine Augen hatten einen seltsamen Glanz angenommen, seine Züge wirkten verklärt. Das Opium war dabei, seine volle Wirkung zu entfalten…
    »Dann will ich es Ihnen erklären, Sarah«, murmelte er. »Exakt fünfzehn Jahre ist es her, dass Kleopatras Nadel nach London gebracht wurde. Fünfzehn Jahre! Schon damals war die Warnung deutlich, aber wir haben sie überhört. Wir haben die Zeit ungenutzt verstreichen lassen, und nun ereilt uns erneut sein Zorn.«
    »Sein Zorn?« Sarah legte die Stirn in Falten. »Von wem sprechen Sie, Euer Hoheit?«
    »Von der Gottheit«, gab der Herzog unverblümt zurück, »die einst aus ihrer Heimat verbannt wurde und deren Macht ausreicht, um Könige zu stürzen und ganze Reiche zu vernichten. Ihr Zorn ist es, den wir zu spüren bekommen, und es ist kein Zufall, dass er sich auf mich richtet, denn ich bin der Enkel der Königin! Verstehen Sie jetzt den Zusammenhang, Sarah? Es gibt keine Verschwörung, sondern nur Rache, schreckliche Rache. Unser aller Untergang droht, begreifen Sie das denn nicht? Sie müssen uns helfen, Sarah! Sie müssen uns allen helfen…«
    Noch während er die Worte sprach, sprang der Duke of Clarence unerwartet von seinem Lager auf und machte ein, zwei unsichere Schritte in Sarahs Richtung. Dabei gaben seine Beine nach, und er fiel nach vorn, geradewegs in Sarahs Arme.
    »Helfen Sie mir«, hauchte er, während sein Gesicht dicht vor ihrem schwebte und sie seinen Schweiß und die bittere Süße des Derivats riechen konnte. Seine Augen waren dabei weit aufgerissen, und einen kurzen, schrecklichen Moment lang hatte sie das Gefühl, dass er auf den Grund ihrer Seele blicken konnte – und umgekehrt.
    Sarah erschrak vor dem, was sie sah. Eine kurze Zeit lang glaubte sie, in einen dunklen, bodenlosen Abgrund zu blicken, aus dem vernichtende Leere zurückstarrte – aber schon im nächsten Moment war der Eindruck verschwunden, und die Diener eilten heran, um den Duke wieder auf sein Lager zu betten.
    Auch Sarah erhob sich, ebenso peinlich berührt wie schockiert, und ihr wurde schmerzlich bewusst, dass ihr Onkel ihr nicht alles über diesen Fall gesagt hatte…
    »Bitte«, wandte sich der Butler an die Gäste, »wie Sie sehen können, ist Seine Hoheit im Augenblick unpässlich. Wenn Sie jetzt bitte gehen würden, Seine Hoheit der Herzog braucht jetzt Ruhe.«
    »Das ist offensichtlich«, erwiderte Sarah und wandte sich zum Gehen. Sie wartete erst gar nicht darauf, dass Quayle ihr folgte. Beim Verlassen des Zimmers warf sie einen letzten Blick auf die Artefakte, die hier angesammelt waren, und auf ihren Besitzer, der in Lethargie verfallen und nicht mehr ansprechbar war.
    Einmal mehr war Sarah Kincaid enttäuscht von dem, was sie im Palast von St. James vorgefunden hatte.
     
     
    M AYFAIR , L ONDON
    E INE S TUNDE SPÄTER
     
    »Was hat das zu bedeuten?«
    Ohne ein Wort des Grußes und mit zorngeröteten Wangen platzte Sarah Kincaid in den Frühstücksraum des geräumigen Hauses, das Mortimer Laydon in Mayfair bewohnte, einer der besten und teuersten Gegenden der Stadt in unmittelbarer Nähe des Buckingham Palace. Mancher Emporkömmling aus den unteren Adelsständen hätte ein Vermögen dafür bezahlt, hier zu residieren – für Laydon war es eines der Privilegien, die ihm als königlichem Leibarzt zustanden…
    Der Doktor saß am Frühstückstisch bei Eiern, Toast und Schinken und blickte erstaunt auf, als er sein Patenkind in solcher Erregung erblickte. Den guten Umgangsformen gehorchend, legte er die Serviette beiseite und erhob sich.
    »Sarah«, sagte er überrascht, »auch dir einen schönen guten Morgen. Verzeih, ich hatte dich nicht so früh zurück erwartet,

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