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Der Schatten von Thot

Der Schatten von Thot

Titel: Der Schatten von Thot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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weiß auch, dass eine Revolte im East End unaufhaltsam wäre, wenn dies bekannt würde. Selbst Ihre Majestät die Königin könnte dann nicht länger schützend ihre Hand über Sie halten.«
    »Was soll das?«, fragte der Herzog panisch. »Versuchen Sie, mich zu erpressen, Lady Kincaid?«
    »Keineswegs, Hoheit. Aber ich will, dass Sie sich mit der Wahrheit auseinandersetzen.«
    »Mit der Wahrheit?« Der Duke of Clarence lachte hysterisch. »Von welcher Wahrheit sprechen Sie?«
    »Von der einzigen Wahrheit«, erwiderte Sarah unnachgiebig. »Sagen Sie mir, Hoheit: Musste Inspector Quayle sterben, weil er gesehen hat, was niemand sehen durfte? Bin ich die Nächste?«
    »W-wovon sprechen Sie? Ich habe keine Ahnung, worauf Sie hinauswollen! Ich dachte, Sie wären hier, um den Beweis für meine Unschuld zu erbringen…«
    »Vor allem bin ich hier, um der Wahrheit zu dienen, Hoheit – und mit der Wahrheit scheint es dieser Tage niemand in London so ganz genau zu nehmen, habe ich Recht?«
    »Sie wissen nichts«, zischte der junge Herzog, und aus seinen Augen sprach gleichermaßen Abneigung wie Furcht. »Sie wissen nichts von den Phantomen, die mich jagen, und von dem Fluch, der mich verfolgt.«
    »Ein Fluch?« Du Gard hob die Brauen. »Wovon sprechen Sie, Hoheit?«
    »Von diesem da spreche ich«, erwiderte der königliche Enkel und deutete auf den Siegelring an seiner Hand, der das stilisierte Emblem der Ägyptischen Liga trug. »Erinnern Sie sich, was ich Ihnen bei Ihrem letzten Besuch über die Nadel der Kleopatra erzählte, Lady Kincaid?«
    »Nun – ja. Sie sagten, dass beim Transport des Obelisken nach London sechs Matrosen ihr Leben gelassen hätten und dass manche dies auf einen Fluch zurückführten. Aber Sie sagten auch, dass Sie an derlei Hokuspokus nicht glauben.«
    »Was spielt es für eine Rolle, was ich glaube? Was, wenn der Fluch längst über mich gekommen ist? Wenn ich sein Opfer bin, ohne es zu ahnen? Wenn ich furchtbare Dinge tue, ohne es zu wissen…?«
    Sarah und du Gard tauschten einen vielsagenden Blick. Der Herzog sprach in heller Panik, und am stumpfen Glanz seiner Augen war zu erkennen, dass er erneut fantasierte – aber ihnen war beiden klar, was der königliche Erbe ihnen da zwischen den Zeilen zu sagen versuchte…
    »Hoheit«, fragte Sarah deshalb vorsichtig. »Soll das heißen, Sie halten es für möglich, dass… dass Sie der Mörder von Whitechapel sind, ohne es zu wissen?«
    »Ohne es zu wissen! Ohne es zu wissen!«, rief der Duke mit Tränen in den Augen. »Bitte, Lady Kincaid, Sie müssen mir helfen! Es ist der Fluch, verstehen Sie? Ein Fluch wurde über mich verhängt, und ich muss ihm gehorchen. Rache, fürchterliche Rache wird sonst über uns alle kommen!«
    Sarah holte tief Luft. Schon bei ihrem letzten Besuch hatte der Herzog dunkle Andeutungen gemacht, die sie jedoch auf die Wirkung des Opiats zurückgeführt hatte. Im Augenblick stand der junge Thronerbe zwar nicht unter dem Einfluss von Medikamenten, dennoch schien sein Verstand auf schmalem Grat zu wandeln. Etwas musste dem Herzog unglaubliche Furcht eingejagt haben. Etwas, das ihn an seinem Verstand zweifeln und für möglich halten ließ, dass er selbst der Mörder war, der Whitechapel in Angst und Schrecken versetzte…
    »Hoheit«, sagte Sarah leise, »was auch immer geschehen ist – wir müssen die Wahrheit herausfinden.«
    »Und wenn die Wahrheit ist, dass ich ein brutaler Mörder bin?« Der Duke konnte die Tränen der Verzweiflung nicht länger zurückhalten. In gezackten Rinnsalen liefen sie über seine knochigen Wangen.
    »Halten Sie das denn für möglich?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte der Herzog. »Ich weiß es tatsächlich nicht. Es ist der Fluch… der Fluch des Mondgottes.«
    »Was?«
    »Der Fluch des Mondgottes. Er war es, der die Matrosen ereilte, und nun verfolgt er auch mich. Verstehen Sie denn nicht…?«
    Sarah spürte, wie eine hässliche Ahnung sie beschlich. Der Mondgott der ägyptischen Mythologie war kein anderer als der ibisköpfige Thot, dessen Zeichen der Mörder am Tatort zurückzulassen pflegte, geschrieben mit dem Blut seiner Opfer. Sollte dies ein Indiz dafür sein, dass der Schlächter von Whitechapel tatsächlich kein anderer als der königliche Erbe war? Dass er die Taten möglicherweise im Wahn begangen hatte, ohne sich anschließend daran zu erinnern?
    Sarah verdrängte den schrecklichen Verdacht und zwang sich zur Ruhe. Solange nichts bewiesen war, hatte der Herzog in jedem Fall als

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