Der Schattenbund 01 - Das Herz von Myrial
stammelte er, »ich muss gehen!« Damit lief er hastig zur Tür. Sie rief ihm nach, dass er später wiederkommen solle. Scall lächelte. Also gut, vielleicht war doch manches nun anders.
Tatsächlich aber bahnten sich größere Wechsel an, als Scall ahnte. Als er die Schmiede betrat, saßen Schmiedin und Stallmeister so nah beim Feuer, wie man es eben ertragen konnte, und Agella sagte gerade: »Hör zu, Fergist! Diese Horde ist nur gegangen, weil du ihnen Angst gemacht hast mit Hauptmann Blank, aber sie gieren bereits nach Blut, und wer weiß, in was sie sich noch hineinsteigern, wenn der Hierarch nicht bald zurückkehrt.«
»Das Dumme ist nur, dass ich unsicher bin, ob sie nicht sogar Recht haben …« Fergist verstummte, weil er Scall bemerkt hatte.
»Da stimme ich dir zu«, sagte Agella und nahm Scall das Bier ab, wobei sie geflissentlich über seine rebellische Miene und den gemurmelten Protest hinwegsah. Sie bot ihm nicht einmal etwas an. Völlig außer Fassung, verzog er sich mit einem Schemel in eine Ecke und schmollte – doch entfernte er sich nicht so weit, dass er nicht jedes Wort verstanden hätte, das zwischen den beiden Erwachsenen fiel.
Agella reichte dem Stallmeister eine Bierkanne, der sie öffnete und gedankenvoll einen langen Zug tat, bevor er die Unterhaltung an derselben Stelle wieder aufnahm. »Selbst wenn der Hierarch und Hauptmann Blank die Tiere behalten wollen, so will ich sie trotzdem nicht in meinem Stall haben – das Futter reicht kaum für die anderen. Wenn also deine Freundin, die Abrichterin, die Sefrianer unterbringen kann, bis die Wogen sich geglättet haben, wäre es für alle Beteiligten das Beste – aber nur, wenn sie tatsächlich so vertrauenswürdig und gut ist, wie du sagst. Denn wenn sie es vermasselt, ist es mein Kopf, der rollt. Wenn sie die Tiere aber noch dazu bringen kann, sich anständig zu betragen, dann sind wohl alle zufrieden.«
Agella lächelte. »Oh ja, sie ist sehr fähig – das verspreche ich. Vielleicht ist sie inzwischen ein wenig in die Jahre gekommen, aber dann hätte sie mehr über Pferde vergessen, als andere Leute jemals wissen werden.«
»Woher kennst du sie?«
»Ich kenne sie, seit ich in Scalls Alter war.« Agella blickte sinnend ins Feuer. »Meine Sippe waren östliche Rotten, sie wurden von Vlastors Stamm besiegt und ausgelöscht. Mein Vater hatte Vlastors Sohn getötet, verstehst du, und Vlastor schwor, nicht eher zu ruhen, als bis der letzte Tropfen unseres Blutes vergossen wäre.« Sie schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Es gab ein furchtbares Gemetzel. Ich hatte mich mit meiner jüngeren Schwester in einer Scheune versteckt, wo Toulac uns fand. Sie schmuggelte uns als Wasserträger, das heißt, als Jungen, in Vlastors Heer ein, wo ich dann mein Handwerk erlernte. Irgendwann brachte Toulac uns nach Tiarond und gab Viora einer Näherin in die Lehre. Mich brachte sie bei Meister Eharl unter, der damals der Schmied der Gottesschwerter war.« Scall sperrte Mund und Ohren auf. Nie hätte er geglaubt, dass seine Mutter und seine Tante solche Abenteuer hinter sich haben könnten. Agella sah Fergist an und schloss: »Nun siehst du also, warum ich Toulac vertraue. Ich verdanke ihr alles: meinen Beruf, meinen Wohlstand – und mein Leben.«
»Sie scheint eine bemerkenswerte Frau zu sein«, sagte der Stallmeister. »Und glaubst du, dass sie auch aus dem Jungen etwas machen wird?«
»Da bin ich mir sicher, wenn sie auch für seine Mutter nicht viel übrig hat. Wahrscheinlich ist sie zu stolz, um es zuzugeben, aber sie könnte eine zusätzliche Hilfe da oben gebrauchen – und ein wenig Gesellschaft. Tatsächlich ist das der Hauptgrund, weshalb ich ihr Scall schicken will. Vielleicht ist er kein besonders guter Lehrling, aber ich bin nicht so herzlos, ihn einfach auf die Straße zu setzen. Ich mache mir auch Sorgen um Toulac, allein wie sie ist, da draußen im Gebirge. Die Sägemühle bringt nicht viel ein, sie kann davon kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten. Aber sie ist so verdammt unabhängig, dass sie nicht einmal von mir Hilfe annimmt. Wenn also Scall da raufgeht, dann ist das auch ein guter Vorwand, um ihr ein paar Dinge zukommen zu lassen, Lebensmittel, Kleidungsstücke, ein paar warme Decken. Du weißt schon – Dinge eben, die man hier im Bezirk noch bekommt, aber nirgendwo sonst, solange dieser verfluchte Regen anhält. Das ist eine gute Lösung, Fergist. Du bekommst die Pferde aus deinem Stall, Scall hat eine Zukunft als Lehrling
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