Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Mitte der Soldaten gezogen – bis auf ein Mädchen, das sogleich umkehren wollte, als ihre Freunde in Sicherheit waren. Galveron riss sie am Arm zurück und schob sie zu den anderen. »Was tust du denn da?«
»Alestan!« Sie wehrte sich mit wilder Kraft. »Mein Bruder!«
Galveron fluchte und schubste sie dem überraschten Areom in die Arme, schoss selbst nach vorn und half dem jungen Mann über die letzten paar Schritte, indem er ihn halb stützte, halb an der toten Last mittrug. Er konnte sofort sehen, dass der Gefallene tot war. Das Genick war gebrochen, der Kopf baumelte in einer unmöglichen Haltung. »Lass ihn los!«, rief er. »Für ihn ist es zu spät!«
Der andere beachtete ihn nicht. Zwei neue Angreifer flogen dicht über ihre Köpfe hinweg und wurden von den scharfäugigen Schützen zu Fall gebracht.
Galveron drängte den Fremden mit seiner Bürde zwischen die anderen und wandte sich dem Feind zu. Hinter sich hörte er die Kinder weinen, und es tat ihm im Herzen weh. »Tosel«, wimmerten sie, »Tosel, wach doch auf!«
Inzwischen kamen immer mehr der geflügelten Ungeheuer, zogen niedrige Kreise und hielten die Menschengruppe an Ort und Stelle. Die Kreisenden boten ein sicheres Ziel, doch die Pfeile wurden schon knapp, und Galveron musste Befehl geben, nicht zu feuern, ehe nicht einer tatsächlich angriff. Er wusste, dass sie nur auf den letzten Pfeil warteten, dann würden sie alle auf einmal kommen, und das wäre ihr Ende.
Wir haben es versucht. Es tut mir Leid, Gilarra, ich habe dich enttäuscht. Kaita, du hattest Recht. Ich war noch nicht fähig, den Trupp anzuführen, und nun habe ich diese Männer in den Tod geführt.
Plötzlich hörte er hinter sich einen Schnapplaut und das Knarren der Türangeln. Der Bergmann jubelte. Galveron fuhr herum, blickte erstaunt in das halb verhungerte Gesicht einer Lumpengestalt, die einen Dietrich schwenkte und hämisch von einem Ohr zum anderen grinste.
»Hinein!«, brüllte der Hauptmann, aber das musste niemandem gesagt werden. Äußerst beherrscht hielten die Soldaten ihre Verteidigungsstellung bei, bis alle anderen durch die Tür waren.
»Lasst ihn zurück! Er behindert uns«, rief Galveron drängend. »Er ist tot, ihr Narren.« Sie beachteten ihn nicht.
Verdammte Rührseligkeit!
Als die Raubvögel ihre Beute entkommen sahen, griffen sie an. Plötzlich fand sich Galveron als Ziel einer Verschwörung wieder, denn seine Männer ergriffen ihn und schoben ihn vor sich her durch die Tür und in den schmalen Gang dahinter. Einen Augenblick später schnürte ihm Verwesungsgestank die Kehle zu und außer Flügeln war draußen nichts mehr zu sehen. Es folgte ein entsetzlicher Schrei, aber die Kämpfenden verstellten ihm den Blick. Dann war alles Licht verschwunden, nachdem sie die Tür mit beträchtlicher Mühe gegen die anstürmenden Feinde zugedrückt hatten. Die schweren Balken wurden in die Riegel gerammt.
In der pechschwarzen Dunkelheit schlug jemand einen Funken und zündete einen Kerzenstummel an, den er mit zittriger Hand in die Höhe hielt. Das Licht breitete sich langsam aus, und Galveron sah, dass zwei seiner Soldaten fehlten.
Mit Bitterkeit im Herzen betrachtete er die abgerissene kleine Gruppe, die sich weinend um den Toten auf dem Boden drängten. Gesindel aus dem Labyrinth, da gab es nichts zu deuteln. Aber wo in Myrials Namen hatten sie sich so lange verstecken können? Nicht dass dies wichtig wäre. Was zählte, war, dass sie zwei Männern das Leben gekostet hatten. »Ihr Dummköpfe«, fuhr er sie an. »Wenn ihr uns nicht mit der verdammten Leiche aufgehalten hättet, könnten meine Soldaten noch am Leben sein.«
Der junge Mann, der den Toten hereingebracht hatte, sprang auf, die Tränen liefen ihm über die Wangen. »Dann sind es jetzt zwei Gottesschwerter weniger«, fauchte er. »Na und? Das heißt, die Welt ist ein bisschen besser als vorher.«
Galverons Faust schnellte hervor, ehe er selbst gewahr wurde, was er tat. Der andere bekam den Schlag mitten ins Gesicht, taumelte rückwärts, strauchelte über seinen toten Freund und sank an der Wand herab. Das Blut lief ihm aus Nase und Mund. Doch plötzlich sprang er mit der Gewandtheit eines Seilkünstlers wieder auf die Füße und kam mit mordlüsternen Augen auf Galveron zu. Wie aus dem Nichts erschien ein Messer in seiner Hand. Corvin, der Bogenschütze, der soeben einen guten Freund verloren hatte, legte mit einer ruhigen Bewegung einen seiner letzten Pfeile auf die Sehne. Die anderen
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