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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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Abstieg glich noch mehr einem Albtraum als der Aufstieg. Einerseits brauchte man sein Gewicht nicht nach oben zu ziehen, doch andererseits musste man große Kraft und Geschicklichkeit aufwenden, um sich langsam herunterzulassen und immer nur einen Halt zur selben Zeit aufzugeben. Nicht lange und die Muskeln in Händen und Waden brannten fürchterlich und verkrampften sich unter der reinen Anstrengung, sich an den Fels zu klammern und nur behutsame Bewegungen auszuführen. Und gleichzeitig war Eile geboten, darin hatte Alestan Recht, denn der Nordwind trieb dunkle niedrige Wolken heran.
    Wahrscheinlich wird es heute Nacht wieder schneien – falls wir das noch erleben.
    Aliana drückte sich gegen den Fels und spähte vorsichtig nach den heranrasenden Wolken. Schon war ein Drittel des Himmels von ihrer drohenden Masse bedeckt. Schon begann das Licht zu schwinden. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie über der Schlucht waren, und dann …
    Und dann kommen die scheußlichen Biester aus dem Tunnel und fallen über uns her.
    Sie dachte daran, wie schnell sie sich bewegen konnten, wie wild und gierig sie waren. Die Vorstellung ließ sie zittern, schwächte ihre Hände, zerstreute ihre Aufmerksamkeit. Kalter Schweiß lief ihr den Rücken hinunter. Sie versuchte alles, um sich wieder zu fassen.
    Um Himmels willen, denke nur daran, diese verdammte Wand hinunterzukommen, oder es spielt keine Rolle mehr, wann diese Viecher aufwachen!
    Eins nach dem anderen – oder einen Schritt nach dem anderen, besser gesagt. Diese Seite der Wand war ein schwierigeres Geschäft. Der Stein war glatter, es gab weniger Risse. Weil sie mehr geschützt lag, vermutete sie, dem Wetter weniger ausgesetzt. Sie wagte einen Blick nach unten. Tosel und die Kinder hatten einen guten Vorsprung, wohingegen sie Packrat oberhalb schnaufen hören konnte. Ein Stückchen über ihm sprach Alestan geduldig auf Gelina ein, die schon wieder unbeholfen war. Verdammtes Weib! Man hätte sie wirklich als Erste schicken und es darauf ankommen lassen sollen. Wenn sie jetzt fiele, würde sie alle anderen mitreißen.
    »Wir sind unten, Aliana. Pass auf, da ist …« Das übrige hörte sie nicht. Erlas piepsende Stimme drang so unerwartet in ihre ruhige Anspannung, dass sie den nächsten Halt verfehlte und das letzte Stück auf die schnellste Art hinter sich brachte. Zu ihrer Überraschung traf sie auf das steile Dach eines Hauses, das von oben nicht erkennbar gewesen war, rollte und rutschte, griff vergeblich nach den Schindeln und spürte plötzlich den freien Fall.
    Schnell wie ein Blitz war Tosel unter der Dachkante. Er fing sie gerade rechtzeitig auf, und sie stürzten zusammen in einem Haufen zu Boden. Sie hörte ihn ächzen, als er mit dem Rücken aufschlug.
    »Danke«, sagte Aliana zittrig, als sie sich aufrappelten und ihre Glieder entwirrten. »Ich bin dir was schuldig.« Ein älterer Mann, dachte sie, hätte wahrscheinlich gescherzt, dass es ihm ein besonderes Vergnügen gewesen sei, aber Tosel mit der linkischen Befangenheit eines Jungen auf der Schwelle zum Mannesalter war dunkelrot geworden und konnte sie kaum ansehen. Er vertuschte seine Verlegenheit, indem er sich der kleinen Erla zuwandte und ihr einen Klaps versetzte. »Du dummes kleines Gör!«, schimpfte er. »Fällt dir nichts Besseres ein, als einen Kletterer anzusprechen? Wenn sie sich den Arm oder ein Bein gebrochen hätte, wo wären wir dann?«
    Der Klaps war ein Fehler. Das Kind begann ein durchdringendes Wehgeschrei, das laut genug war, um jeden fliegenden Teufel in der Stadt zu wecken. Packrat, der sich soeben von der Dachkante herabließ, sprang und rannte in einem, klemmte sich die arme Erla unter den Arm und hielt ihr den Mund zu. »Wie ungemein schlau«, schnarrte er zu Tosel. »Jetzt siehst du gleich, was du getan hast, du stinkender Rotzlöffel!«
    Alestan und Gelina kamen über das Dach gerutscht, hingen mit den Händen an der Regenrinne und ließen sich ordentlich zu Boden fallen. Alina verspürte einen ärgerlichen Stich, weil die plumpe Frau eine bessere Landung geschafft hatte als sie. Dann warf sie einen kurzen Blick um sich und merkte, wie nah zum Eingang des Tunnels sie sich befanden. Beim Herabklettern mussten die greifbaren Vorsprünge sie in diese Richtung gelenkt haben, und richtig: Als sie nach oben sah, war eine schräge Verwerfung in der Wand erkennbar, der sie unweigerlich gefolgt waren.
    Aus dem schwarzen Maul des Tunnels kamen kratzende und scharrende Geräusche und

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