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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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ungehindert wehen konnte. Scharf wie eine Klinge schnitt er über den ausgedehnten Fels und heulte dabei wie eine gepeinigte Seele. Man konnte ihm nicht entkommen. Aliana fühlte sich, eine deutliche Silhouette gegen den Himmel, wie nackt ausgesetzt, und keine Deckung lag in Sichtweite. Sie schauderte, und das kam nicht von dem eisigen Wind. Wenn jetzt diese Teufel kämen, könnte sie nirgendwohin rennen, sich nirgends verbergen.
    Wo blieben die anderen? Sie drehte sich zur Außenseite um und sah eine bleiche Gelina zu einem japsenden Haufen zusammensacken, während Alestan gerade über die Kante kletterte. Sie sah sich nach Packrat um und entdeckte ihn in einiger Entfernung, wie er um eine vom Wind geschaffene Steinskulptur herumkroch, die aussah wie ein Kniender. Dort musste es mehrere tiefe Löcher im Fels geben, denn er probierte sie nacheinander aus, indem er sich hineinduckte und den Wert des Versteckes erkundete.
    Aliana seufzte. Er war ein hoffnungsloser Fall, oder? Was kann er hier oben schon zu finden hoffen?
    In diesem Augenblick stieß er einen Jubelschrei aus. Die anderen kamen sogleich gerannt. »Was zum Teufel soll das werden?«, zischte Alestan. »Du hetzt uns die verfluchten Bestien auf den Hals!«
    Packrat hielt beide Hände hinter dem Rücken und blickte noch verschlagener als sonst. »Nichts«, antwortete er. »Ich habe gar nichts gemacht. Ich dachte nur, da sei etwas drin, darum entfuhr es mir. Aber es war ein Irrtum. Tut mir Leid, dass ich einen Laut gegeben habe.«
    Diese Entschuldigung genügte, um Alianas Misstrauen zu verstärken. Packrat zeigte niemals die leiseste Reue für irgendeine seiner Handlungen.
    Doch Alestan hatte andere Dinge im Kopf. »Komm jetzt«, forderte er. »Wir müssen weiter. Es ist zu gefährlich hier oben, wir sollten keinen Moment länger hier herumlungern.«
    Aliana wollte sich widersetzen, doch die anderen strebten bereits – angeführt von einem seltsam eifrigen Packrat, der die Hände in den Hosentaschen vergrub, wie sie bemerkte – der anderen Seite der Mauer zu und liefen so schnell es ging zwischen den Unebenheiten hindurch. Sie taten recht daran, das wusste sie. Ihre Neugier würde also warten müssen.
    Schon bevor sie Tosel und die Kleinen eingeholt hatte, wusste sie, dass etwas nicht stimmte. Die Kinder weinten leise und Tosel war grau geworden und starr wie ein Stein. »Sieh«, flüsterte er, »sieh nur.«
    Aliana wusste zuerst nicht, wohin sie schauen sollte. Sie ließ den Blick schweifen und sah nur, dass viel mehr Häuser in der Schlucht standen, als sie erwartet hatte: ein gedrängter Haufen von überraschend gewöhnlichen Häuschen nahe dem Eingangstunnel, weiter weg die gebogene Mauer mit dem großen goldenen Tor und dahinter die finstere Masse der Zitadelle und der Tempel selbst, dessen Fassade und Reliefs aus dem Fels gehauen waren. Sogar aus dieser Höhe betrachtet war er ein Ehrfurcht gebietender Bau von überwältigender Größe, und jede Linie zeigte die vollendete Meisterschaft seiner Erbauer.
    Schließlich sah sie den Tempelhof. Hinter sich hörte sie ihren Bruder keuchen und Gelina, die leise schluchzte. Neben ihr fluchte Packrat mit nicht nachlassender Gehässigkeit. Zunächst war es unmöglich, das schiere Grauen des Dargebotenen zu erfassen und den Augen überhaupt zu trauen. Doch eindeutig flatterten und zankten dort die Krähen über den Leichen, und nun, da sie die Quelle kannte, wurde ihr bewusst, dass der Nordwind schon die ganze Zeit über einen leichten Verwesungsgeruch herangetragen hatte. Sie wagte nicht daran zu denken, welcher Gestank dort unten herrschen musste.
    »Lieber Myrial«, murmelte Gelina. »Es scheint, als ob die ganze Stadt dort läge. Kann das jemand überlebt haben? Sind wir denn die Einzigen?«
    »Sieh, das Portal«, sagte Alestan. »Es ist geschlossen. Es müssen sich welche im Tempel verstecken, und ausnahmsweise werden wir besser gestellt sein, wenn wir uns ihnen anschließen.«
    Aliana sagte nichts. Sie starrte wie gelähmt auf die Reste des Gemetzels. »Beweg dich, du dummes Miststück!« Packrat stieß sie hart in die Rippen. »Sieht aus, als müssten wir hinunter, koste es, was es wolle. Willst du bis zum Abend hier gaffen?«
    Aliana konnte sich keine angemessene Entgegnung ausdenken. Der Anblick hatte sie sprachlos gemacht. Außerdem hatte das fiese Schwein Recht, und er wusste es genau. Sie streckte ihm den Mittelfinger entgegen, wandte sich ab und ließ sich sachte über die Felskante herab.
    Der

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