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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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vollgesogen, und Aliana wusste, dass der Stoff im Nu durchgescheuert und ihre blanke Haut dem Boden ausgesetzt sein würde. Schon merkte sie, wie die Nässe in ihre Lederhandschuhe eindrang. Aber so schlimm das alles war, sie würde weiterhin kriechen müssen. Verzweifelt versuchte sie sich aufzumuntern.
    Es kann ja nicht ewig dauern. Wahrscheinlich ist es vorbei, ehe ich es richtig merke, und dann sitze ich vor einem prasselnden Feuer in trockenen Kleidern, und sie geben mir eine heiße Suppe und wickeln mich in Decken, und ich bin ein Held, weil ich den Tempel gerettet habe.
    Tröstliche Gedanken, doch nicht ausreichend, um sie gegen die Schrecken dieser Nacht unempfindlich zu machen. Um nur nicht entdeckt zu werden, war sie gezwungen auf dem Bauch zu kriechen, mit dem Gesicht dicht über den Leichen, denen nicht auszuweichen war. Die Gesichter waren zu Grimassen erstarrt, die von Schmerzen und Grauen sprachen. Bei anderen war das Gesicht abgefressen, der Knochen entblößt, die Schädel offen wie zerbrochene Eierschalen. Aliana war dankbar, dass der Schnee ihr vielleicht schrecklichere Anblicke ersparte. Doch sie kroch durch Blut und Gedärm, als bewegte sie sich über den Boden eines Schlachthauses. Sie musste daran denken, was im Labyrinth mit ihren Freunden geschehen war, und merkte, wie sie anfing zu zittern.
    Untersteh dich! Du kannst später zusammenbrechen, wenn es sein muss, aber das ist weder der rechte Ort, noch der passende Zeitpunkt.
    Aliana schluckte schwer, kämpfte die Übelkeit nieder. Um sich zu beruhigen, hätte sie gern tief durchgeatmet, doch das wagte sie nicht. Trotz der Kälte war die Luft mit einem ranzigen, süßlichen Gestank angefüllt, und Aliana war froh, dass der Frost weit Schlimmeres verhinderte.
    Erleichtert bog sie an der Mauerecke ab, um nun an der ausgedehnten Tempelfront entlangzukriechen. Immerhin hatte sie mehr als die Hälfte des Weges zurückgelegt. Jetzt wäre die Flucht nach vorn kürzer als der Rückzug.
    Ich werde den Rest meines Lebens Albträume haben. Aber ich werde unendlich dankbar sein, diesen Rest erleben zu dürfen.
    Hartnäckig schob sie sich voran. Sie wusste, dass sie sich bereits die Haut von den Knien schabte, doch die waren taub von der Kälte, und sie spürte die Schmerzen nicht. Inzwischen, da sie so dicht vor dem Ziel war, ging ihr die Geduld aus. Wie lange dauerte es denn noch, bis dieses verdammte Portal endlich kam? Warum mussten sie dieses dumme Ding überhaupt so groß bauen?
    Vorsichtig hob sie ein Stückchen den Kopf und wagte einen Blick. Erleichtert stellte sie fest, dass die Tür nur noch ein paar Schritte entfernt war. Doch diese Vergewisserung war ein Fehler gewesen. Sie hatte unterstellt, dass die Bestien der Lampen wegen vermeiden würden, so dicht beim Tempel zu fressen. Das war ein Irrtum. Unweit und näher, als sie gedacht hatte, beugte sich eine über eine Leiche und riss große Fleischstücke ab.
    Verflucht!
    Aliana duckte sich hastig, aber es war zu spät. Das Biest sah die Bewegung aus den Augenwinkeln und drehte den Kopf zu ihr hin. Sie erstarrte, wagte nicht einmal zu atmen und versuchte mit aller Macht so auszusehen, als wäre sie nur eine Leiche unter vielen.
    Geh weg. Bitte, geh weg! Hier ist nichts für dich.
    Aber sie konnte hören, wie es sich näherte, wie es zischend die Luft einsog und mit den Flügeln raschelte. Dabei machte es keine Anstalten zu fliegen. Vermutlich wollte es die anderen nicht darauf aufmerksam machen, dass es da etwas zu holen gab.
    So ist es gut. Wir wollen das allein unter uns ausmachen.
    Sie blieb starr liegen, fummelte nur den Dolch aus der Scheide und ließ sich das Heft in die Hand gleiten. Plötzlich schoss der Teufel geduckt auf sie zu. Sie wartete, bis er genau über ihr war, dann würde sie den Stoß führen. Gerade als er sie mit den Klauen packen wollte, rollte sie sich zur Seite und fuhr ihm an die Kehle. Sie spürte, wie die Klinge ins Fleisch drang, und im nächsten Moment wurde sie von einem Schwall stinkenden Blutes übergossen, und die Bestie warf sich im Todeskampf hin und her.
    Aliana beeilte sich, auf die Füße zu kommen. Es hatte keinen Zweck mehr, sich verstecken zu wollen. Schon hörte sie das Rauschen vieler Flügel, als ein Schwarm in die Luft stieg, um die Störung zu untersuchen. So schnell wie ihre verkrampften, ausgekühlten Glieder es erlaubten, nahm sie einen verzweifelten Anlauf auf das Portal.
    Von der Angst angetrieben rannte sie schneller denn je, dabei rutschte und

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