Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Reserveplan, denn schließlich können wir nicht alle Lampen des Tempels zerschmettern, und die Angst vor dem Feuer wird diese Viecher nur eine Zeit lang von der Treppe fernhalten. Vielleicht könnten wir aber …«
»Oh nein, Agella, wir könnten nicht«, fiel Fergist ihr ins Wort. »Lass zur Abwechslung mal jemand anderen sich etwas ausdenken. Du bist dafür nicht verantwortlich – jedenfalls nicht bevor du dich ausgeruht hast.«
»Da könntest du Recht haben«, gab Agella zu. »Bei Myrial, ich fühle mich wie erschlagen! Was ist mit dem armen Dawel? Lebt er noch?«
Der Stallmeister zuckte die Achseln. »Er war noch am Leben, bevor wir ihn durch das Feuer geschleppt haben – glaube ich. Sie haben ihm den Bauch aufgerissen, und er sieht schlimm aus. Wir können nur hoffen. Aber im Großen und Ganzen ist er ein robuster Kerl. Wie sieht’s bei dem Jungen aus?«
»Wer kann das wissen? Seine Mutter will ihn nicht lange genug loslassen, dass mal einer nachsehen könnte.«
Der Stallmeister schüttelte den Kopf. »Es klang gar nicht gut, als er mit dem Kopf auf den Stein geschlagen ist. Aber wenn auch nur das kleinste Möglichkeit für ihn besteht, so wird, da bin ich sicher, Heilerin Kaita ihn durchbringen. Sie ist verflucht gut, diese Frau.«
»Das sollte sie besser sein. Sie wird sich heute selbst übertreffen müssen. Da ist schließlich auch Galveron zu versorgen – und wir brauchen ihn dringend, mehr als jeden anderen. Er ist der geborene Anführer. Der Himmel allein weiß, welchen Schaden seine Augen genommen haben. Er wollte mich nicht nachsehen lassen und nahm die Hand nicht herunter.«
Sie kamen am Fuß der Treppe an und schoben sich durch die unruhige Menge, die sich im Durchgang drängte. Dankbar traten sie in die helle, weite Basilika. Doch sie waren kaum ein paar Schritte gegangen, als sie von dem aufgeregten Telimon angestoßen wurden.
»Quiller – habt ihr ihn gesehen?« Er rüttelte Fergists Arm. »Er ist doch bei euch gewesen, oder?«
Der Stallmeister schüttelte den Kopf. »Es tut mir Leid, Telimon. Mehr, als ich sagen kann. Sie haben deinen Bruder erwischt, fürchte ich. Wir haben ihn gesehen. Es gibt keinen Zweifel.«
Telimons Gesicht fiel in sich zusammen, und er fing an zu flüstern: »Ich dachte, er sei gleich hinter mir. Ich war ganz sicher, dass er mir sofort nachfolgt. Da war so viel Hast und so viel Verwirrung, und wir mussten so schnell rennen, als diese Ungeheuer plötzlich eindrangen« – er schluchzte – »wahrscheinlich bin ich in Panik geraten, aber wenn ich nur einen Moment geahnt hätte, dass er mir nicht folgt, dann wäre ich sofort zurückgegangen, Ungeheuer hin oder her. Aber ich kam hier unten an, und die Soldaten wollten mich nicht wieder nach oben lassen, um ihn zu suchen, und jetzt sagt ihr mir, dass er tot ist.«
»Es tut mir Leid«, wiederholte Fergist ratlos. »Wenn wir irgendetwas hätten tun können …« Aber Telimon hörte nicht mehr zu. Er stolperte blind und heftig schluchzend zwischen den Menschen hindurch, und die Leute machten ihm mitleidig Platz.
Agella holte tief Luft, um den Kloß in ihrer Kehle loszuwerden. Jetzt war keine Zeit für Tränen, nicht einmal aus Mitgefühl. Damit würde sie Telimon auch nicht helfen können. Er würde selbst lernen müssen, damit zurechtzukommen. »Wohin hat man die Verwundeten gebracht?«, fragte sie eine Frau, darauf bedacht die Gedanken an Telimon zu vertreiben, indem sie sich auf etwas Nützliches besann.
»In den unteren Wachraum«, antwortete die Frau und starrte erstaunt die schwarz versengte Gestalt der Schmiedemeisterin an.
Agella ging nicht darauf ein, sondern kehrte an Fergists Seite zurück. Sie blickte zur Tür das Wachraums hinüber und meinte kopfschüttelnd: »Ich wünschte nur, wir hätten mehr erfahrene Heiler, nicht zuletzt um Kaitas willen.«
Er nickte ernst. »Richtig. Sie kann nicht überall gleichzeitig sein, und bei drei neuen schwer Verletzten wird sie ein paar harte Entscheidungen treffen müssen.«
Kaitas Lage war äußerst verzwickt. Wenn doch nur mehr von den erfahrenen Heilern überlebt hätten! Sie wurde überall gebraucht. Als Erstes besah sie die furchtbare Wunde von Sergeant Dawel. Er hatte schon viel Blut verloren, und sie nahm fest an, dass seine Därme durchbohrt waren und dass von den Krallen schlimmer Schmutz eingedrungen war. Sie winkte Shelon herbei, einen sehr gescheiten jungen Mann, den sie für den Besten unter den unerfahrenen Heilern hielt. Als er Dawels
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