Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines
Verletzungen sah, stieß er einen Pfiff aus. »Heiliger Myrial, welche eine Verwüstung! Hältst du es wirklich für möglich, ihn durchzubringen?«
»Ich weiß es nicht, aber wir werden uns alle Mühe geben.« Kaita war es Leid, dass ihr die Patienten wegstarben. In den ersten Stunden der Belagerung war es zu oft geschehen. Außerdem mochte sie den Sergeanten. Er war ein guter Mann, freundlich, geradlinig und tapfer. Gerade von der Art, wie man sie während einer Katastrophe brauchte. Er hatte ihr die Nachricht von Evis Tod überbracht, und sie würde niemals vergessen, wie mitfühlend und gütig er zu ihr gewesen war. »Hab ein Auge auf seinen Puls und die Atmung und wische das Blut aus der Wunde, während ich nähe«, wies sie ihn an.
»Er ist jetzt bewusstlos. Willst du, dass ich ihm etwas gebe, damit er nicht zu sich kommt?«, fragte Shelon.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich wage es nicht. Es wäre vielleicht zu viel für ihn.«
Man hatte den Sergeanten auf einen sauber geschrubbten Tisch in der Wachstube gelegt, und der Hauptmann saß neben ihm, drückte sich selbst ein Tuch an die Stirn. Er hatte es abgelehnt, dass Kaita sich darum kümmerte, bevor sie nicht seinen Freund versorgt hatte. Dawel schwebte in Lebensgefahr, und wenn es überhaupt Hoffnung für ihn gab, dann nur, wenn seine Wunden sofort behandelt wurden. Kaita hatte ihm nur zustimmen können, aber sie hatte sehr bestimmt darauf bestanden, dass stattdessen Shelon den Umfang seiner Verletzung in Augenschein nahm. Es stellte sich heraus, dass die Augen unverletzt geblieben waren, aber die rechte Gesichtshälfte war aufgerissen und die Stirnwunde reichte bis auf den Knochen. Es brannte wie die Hölle, doch er war so erleichtert, noch sehen zu können, dass ihm die Schmerzen ein geringer Preis zu sein schienen. Kaita würde ihn nähen können, sobald sie Zeit hätte, aber im Augenblick galten seine Sorgen seinem alten Freund, dessen Leben an einem seidenen Faden hing.
»Kannst du etwas ausrichten?«, fragte Galveron, und seine Angst war nicht zu überhören.
Kaita sah ihm fest in die Augen. »Ich säubere die Wunde und flicke ihn zusammen, so gut es geht.« Ihre Hände hielten nicht still, während sie redete. »Du musst doch schon andere Soldaten gesehen haben, die so schlimm verletzt waren. Du kannst selbst einschätzen, ob er überlebt oder nicht.«
Galveron schluckte schwer. »Ich verdanke ihm so viel«, sagte er leise. »Er ist immer wie ein Vater für mich gewesen, seit ich zu den Gottesschwertern gekommen bin.«
»Dann solltest du lieber beten«, erwiderte Kaita. »Weiß der Himmel, ob es etwas hilft, aber er kann jetzt wirklich jede Hilfe gebrauchen.«
»Das werde ich«, versicherte Galveron, »aber ehrlich gesagt vertraue ich lieber auf dein Können.«
In diesem Augenblick stürzte Gilarra auf Kaita zu, den Sohn im Arm und Bevron an ihrer Seite. »Aukil, er hat sich den Kopf angeschlagen und kommt nicht zu sich. Bitte, du musst ihn dir sofort ansehen.«
Die Heilerin schüttelte den Kopf. Sie war schon dabei, den durchlöcherten Darm zu nähen, und durfte nicht einmal wagen, von dieser heiklen Arbeit aufzusehen. »Es tut mir Leid«, antwortete sie, »aber dieser Mann schwebt in Lebensgefahr. Ich kann ihn jetzt nicht liegenlassen, sonst stirbt er gewiss. Einer meiner Helfer wird den Jungen untersuchen, und ich werde bei euch sein, sobald ich kann.«
»Aber Aukil könnte ebenfalls sterben! Du musst ihn unbedingt sofort untersuchen!«
Kaita hörte wohl, dass Gilarra kurz vor einem hysterischen Anfall stand.
Wunderbar. Das hat mir jetzt gerade noch gefehlt.
»Es tut mir wirklich Leid«, wiederholte sie langsam, »aber ich kann jetzt nicht. Sicherlich begreifst du die Lage.« Unterdessen blieben ihre Finger flink bei der Arbeit, wenngleich sie die Hoffnung bereits aufgab. Er hatte zu viel Blut verloren, und sie wusste genau, dass trotz der Säuberung noch allerlei Schmutz in der Wunde blieb.
Lass sein, flüsterte eine heimtückische Stimme in ihr Gewissen, du weißt, dass es hoffnungslos ist. Welchen Sinn hat es, das in die Länge zu ziehen? Warum ersparst du ihm nicht das Leiden? Du kannst ihm ein Ende ohne Qualen bereiten, hier, jetzt gleich, und dich dann um Galveron und das Kind der Hierarchin kümmern.
Wie ein Echo ihrer eigenen Gedanken hörte sie Gilarra sagen: »Das ist lächerlich! Dieser Mann stirbt auf jeden Fall!«
Nun war es genug für Kaita. »Und dein Junge ebenfalls«, fauchte sie, »es sei denn, du hörst auf, ihn
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