Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
Vom Netzwerk:
und um die Türecke spähen. Ein wohl geformtes Hinterteil in einem dunkelgrünen Rock sprang ihm ins Auge, und er duckte sich hastig um die Ecke – zu spät. Wie er schon zuvor auf seine Kosten herausgefunden hatte, besaß Izobia Ohren wie eine Fledermaus. Sie richtete sich von der Truhe auf, in der sie gewühlt hatte, schob sich die langen roten Locken aus dem Gesicht und präsentierte beim Umdrehen eine Menge Busen in einer weit ausgeschnittenen Bluse. »Kalt! Was im Namen aller Kreaturen hast du gemacht?«
    »Ich war schwimmen.« Er wandte sich ab, um die Stufen hinaufzueilen, aber sie rief hinter ihm her.
    »Um diese Jahreszeit? Du wirst dir noch den Tod holen!«
    »Du auch, wenn du dich weiter so aus der Bluse hängst«, erwiderte Kalt rüde und entfloh, solange sie noch stotterte – so dachte er jedenfalls.
    »Du Ekel!«, kreischte sie. Ein Topf kam durch die Luft gesaust, zerschellte an der Wand neben seinem Ohr und hinterließ eine stäubende Pfefferwolke. Was über rote Haare und Gemütsart behauptet wird, muss wohl stimmen, dachte er kläglich. Furchtbar niesend und mit tränenden Augen setzte er seine Flucht fort, so schnell er mit seinen Beinen noch humpeln konnte.
    Als er die zweite enge Treppe hinaufgestiegen war, warteten dort Labsal und Erquickung auf ihn, was in völligem Gegensatz zu dem kargen Äußeren des Turms und seiner Umgebung stand. Zwei tiefe Sessel, ausgelegt mit Schaffellen, waren an den Kamin gezogen, in dem ein Torfteuer prasselte. Der Tisch, der nicht so dicht am Feuer stand, war mit Geschirr gedeckt und mit Brot, Butter, Käse und einem Topf mit dem teuren Honig aus dem Süden, den sie vor ein paar Tagen von dem Händler Tormon erworben hatten, als er mit seiner Familie auf dem bunten Wagen vorbeigefahren war.
    Die dicken gewebten Wandbehänge, die in diesen zugigen Steinhäusern so nötig waren, wirkten im flackernden Feuerschein heiter und behaglich. Die Holzregale an der hinteren Wand und die Truhe unter dem Fenster waren gewischt und blank poliert, was in einem Raum, der mit Torf geheizt wurde, fast ein Ding der Unmöglichkeit war, denn die feine Asche wurde mit jedem Luftzug aufgewirbelt und verbreitete sich großzügig über alle Flächen. Die Fensterläden waren geschlossen, um die feuchte Kälte draußen zu lassen, doch es war hell im Zimmer vom Feuer und den Kerzen auf dem Kaminsims, und die Lampe auf dem Tisch stand zum Anzünden bereit. Am Rand des Feuers blubberte in einem Topf Haferbrei, und ein Kessel dampfte in der heißen Asche.
    Grimm sah freudestrahlend auf, als sein Schüler hereinkam. »Den Schutzgeistern sei Dank für unsere liebe Izobia«, sagte er verbindlich. »Hast du dein Bad genossen?«
    Kalt antwortete nicht. Er starrte auf die Stiefel seines Lehrers. Es waren die schweren Wanderstiefel, nicht die weichen Schuhe, die sie im Turm gewöhnlich an den Füßen hatten, und sie waren nass und schlammig und unter den Sohlen hafteten Kiesel. Kalt fühlte eine plötzliche Hitze über seine Wangen fliegen, und er sah auf, um dem Blick seines Lehrers zu begegnen. »Ich habe dich nicht gesehen«, stellte er fest.
    »Ich stand zwischen den Bäumen, und du warst wirklich mit anderen Dingen beschäftigt.« Zuneigung und Verständnis zeigten sich auf dem zerfurchten Gesicht. »Du hast nicht wirklich geglaubt, ich würde dich ertrinken lassen?«
    Kalt stand tropfend da, von widersprüchlichen Gefühlen bewegt, unfähig etwas zu sagen. Er empfand eine furchtbare Verlegenheit, weil sein Lehrer Zeuge seiner verzweifelten Torheit gewesen war, und es verblüffte ihn, dass Grimm mit dieser verrückten Tat sogar gerechnet hatte. Dazu war er erleichtert, noch am Leben zu sein, und dankbar, weil Grimm dort gewesen war und über ihn gewacht hatte. »Du hast zugesehen, wie ich es gerade noch geschafft habe«, sagte er schließlich unsicher und dachte an die Angst, die er durchlitten hatte, als das eisige Wasser ihm schon in Mund und Nase drang.
    Grimm stand auf und gab ihm ein Handtuch, das vor dem Feuer angewärmt worden war. »Hier. Gib mir den nassen Mantel.« Als Kalts Knie nachgaben, dirigierte er ihn zu einem Sessel und setzte ihn hinein. »Ich habe dich tun lassen, was du tun musstest«, sagte er und begann seinen Schüler kräftig mit dem Handtuch abzureiben. »Du bist heute in den See gesprungen, weil du dazu einen ganzen Sack voller Gründe hattest. Du wolltest dich von dem gestrigen Ereignis reinigen, du wolltest dafür irgendwie büßen, und« – er beugte sich vor, und

Weitere Kostenlose Bücher