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Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines

Titel: Der Schattenbund 02 - Der Geist des Steines Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie Furey
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sie so eng beieinander wohnten. Izobia bedauerte es freilich, doch abschrecken ließ sie sich nicht. Er fragte sich, wie lange er ihren Annäherungsversuchen noch würde ausweichen können.
    Unterhalb des Turms befand sich eine kleine halbmondförmige Bucht mit einem Kieselstrand, der abgesehen von einem Trampelpfad, auf dem die Tiere zum Trinken ans Ufer kamen, von niedrigen Schwarzdorn-, Brombeer- und Stechginsterbüschen umgeben war. Auf der rechten Seite, wo ein Wirrwarr aus grauen Felsblöcken Mulden mit fruchtbarer Erde eingeschlossen hatte, stand eine Gruppe verkrüppelter Ebereschen, die sich gegen den Wind duckten wie vom Alter gebeugte Frauen.
    Kalt lief über den knirschenden Kies auf die kahlen Bäume zu, die einen geringen Windschutz boten, und entledigte sich seiner Kleider. Er keuchte, als der Wind ihn in die nackte Gänsehaut biss und der Graupel wie mit Nadeln stach. Er wusste, dass es verrückt war, was er tat, aber nach dem gestrigen Geschehen und seinem Anteil am Tod des Kindes fühlte er die Notwendigkeit zur Sühne und verlangte nach Schmerzen und Beschwerden. Er wollte eine Reinigung – um die düsteren Gedanken wegzuwaschen, die seinen Verstand ausfüllten. Nur dann, so meinte er, wäre es ihm möglich, seine Tat anzunehmen. Und sich irgendwie auf das nächste Mal vorzubereiten. Heftig zitternd suchte er sich den Weg über einige höhere Felsen am Ufer, die bis ins Wasser ragten. Der See war tief an dieser Stelle. Kalt holte tief Luft und sprang hinein.
    Es war wie lebendig gehäutet zu werden. Die Kälte war so schlimm, dass ihm die Luft wegblieb, und er merkte, wie sein Herz sich abmühte und stotterte. Unkraut und untergegangene Zweige schienen nach ihm zu greifen, um ihn unterzutauchen und zu ertränken. Eine kopflose Angst ergriff ihn und gab ihm die Kraft, an die Wasseroberfläche zu schwimmen. Er konnte einen verzweifelten Atemzug tun, bevor er wieder unterging.
    Unter Wasser war es finster wie in einem Grab. Ihm war schwindelig. Er spürte ein Brennen in der Brust, und seine Glieder fühlten sich in der gnadenlosen Kälte taub und lahm an. Er hörte seinen Puls in den Ohren hämmern, rasen, dröhnen, und das machte es schwerer, sich auf eine Bewegung zu besinnen, um sein Leben zu kämpfen. Da blitzte das Bild des kranken Jungen in ihm auf. Fühlte sich so das Sterben an? Stellten sich diese Schmerzen, diese Angst, die bestürzende Vernebelung der Sinne unausweichlich ein, wenn das Leben entschlüpfte?
    Ich will nicht sterben! Verzweifelt zwang der Überbringer seinen schwächer werdenden Körper zu einer letzten Anstrengung. Mit den steifen Gliedern zuckend quälte er sich vorwärts und nach oben, drängte zum Licht empor.
    Seine Füße streiften weichen Grund und Steine. Der Grund des Sees! Gleichzeitig stieß er mit dem Kopf durch die Wasseroberfläche. Er hatte es ins Seichte geschafft. Ungläubig taumelte er an den Strand und ließ sich auf Hände und Knie fallen, ohne auf die scharfkantigen Steine zu achten, die sich in seine Haut drückten. Er war am Leben! Er hustete und schnaufte und würgte ohne Unterlass, spuckte Wasser aus. Er konnte nur sich selbst die Schuld geben und würde nie wieder ohne Schaudern auf den See blicken können. Fast wäre er ihm zum Grab geworden.
    Einen Augenblick lang dachte er an Grimm, und spürte den Stachel des Ärgers. Musste sein Lehrer nicht gewusst haben, in welche Gefahr er sich begab, wenn er an einem Tag wie diesem in den See ging? Und sein Ringen musste vom Turm aus zu sehen gewesen sein, wenn sich nur einer zu schauen bemüht hätte. Inzwischen drängte ihm zu Bewusstsein, dass er nass und nackt in Wind und Graupel stand und noch nicht außer Gefahr war. Wenn er sich nicht wieder anzog und ins Warme zurückkehrte, würde er an Unterkühlung sterben.
    Mit jedem Moment wurde er kälter und schwächer. Er stolperte auf die Ebereschen zu, wo er seine Kleider gelassen hatte. Schon waren seine Finger zu steif, als dass er sich anziehen konnte. Ungeschickt warf er sich den Mantel über, wickelte sich dankbar in den wärmenden Stoff, dann klaubte er das Übrige zu einem unordentlichen Bündel auf, drückte es an sich und eilte mit unsicheren Schritten zum Turm zurück.
    Über den Ställen zu ebener Erde befanden sich die Speisekammer sowie Brennmaterial und Geräte, auf dem Stockwerk darüber die Wohnräume und Schlafkammern. Kalt kroch beinahe auf allen Vieren die Treppe hinauf. Als er am Vorratsraum vorbeikam, ließ ihn ein Geräusch anhalten

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