Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
eine glatte graue Wand, die so undurchdringlich war wie Granit.
Mist!
Den Rotten zu helfen war eine Sache, aber mit einem Menschen zu arbeiten, der gewöhnt war, seine Gedanken gegen andere abzuschirmen, brachte einen ganzen Haufen neuer Schwierigkeiten mit sich.
Vielleicht aber auch neuen Gewinn. Man könnte dem Kranken beibringen, den Heiler zu unterstützen.
Aber dafür war es noch zu früh. »Archimandrit«, sagte er geduldig, »du schirmst dich ab. Du musst mich jedoch einlassen, sonst kann ich gar nichts für dich tun.«
Amaurn blickte ihn ungehalten an. »Aber ich lasse dich ja ein. Was redest du?«
»Ich fürchte, das tust du nicht.«
»Oh.« Amaurn sah ein wenig verlegen aus. »Alte Gewohnheiten sind hartnäckig. Versuch es noch einmal, Kalt. Ich werde mir alle Mühe geben, entgegenkommender zu sein.«
Noch einmal berührte der Überbringer Amaurns Stirn und versenkte sich in dessen Geist. Diesmal fand er einen Spalt in der Wand, durch den er hindurchpasste. Der Archimandrit war offenbar kein Mann, der sich unnötig preisgab. Kalt suchte die Stellen, wo die Schmerzen empfangen wurden, und kappte die Übertragung von Amaurns Wunde. Er nickte Kyrre zu. »Du kannst jetzt weitermachen und die Wunde verschließen. Er wird nichts davon spüren.« Dabei klang er gekünstelt, weil er sich anstrengte, die Gedankenverbindung zu Amaurn nur ja nicht abreißen zu lassen.
Ich hoffe jedenfalls, dass er nichts spürt.
Dann sah er gespannt zu, wie Kyrre mit dem Lichtstrahl Schicht um Schicht die Schnittwunde schloss, bis schließlich eine dunkelbraune Narbe zurückblieb. Amaurn lag still und ließ die beiden ihren Dienst verrichten. Sein Blick blieb argwöhnisch, doch offensichtlich litt er keine Schmerzen.
»Was tut ihr denn da?«
Das war die Stimme einer Frau, doch Kalt durfte sich nicht erlauben, neugierig aufzublicken, wer da redete. Er sah nur, wie Amaurns Miene sich in einer Weise aufhellte, dass er wie ein anderer Mensch erschien. »Veldan!«, sagte der Archimandrit. »Ich bin froh, dass du wieder da bist. Und Kazairl und Elion auch.«
Jemand kniete sich neben Kalt, doch er wagte noch nicht, sich von Amaurn abzuwenden. Die junge Frau redete weiter, und er merkte, dass seine Konzentration nachließ. »Wollt ihr bitte still sein?«, sagte er durch die Zähne. »Nur noch ein paar Augenblicke!«
Keiner sprach noch ein Wort, doch Kalt war so eng mit Amaurns Geist verbunden, dass er am Rande seiner Wahrnehmung spürte, wie eine dicht abgeschirmte Unterhaltung mit der jungen Frau stattfand. Er merkte ihre Blicke und wusste, dass Amaurn ihr alles über ihn erzählte. Kalt hätte vieles dafür gegeben, um zu erfahren, was sie redeten, sagte sich aber, er habe sich um seine Aufgabe zu kümmern. Er wünschte, Kyrre würde sich beeilen und fertig werden. Es wurde ihm immer schwerer, die Übertragung der Schmerzen zu verhindern, und er bekam davon Kopfschmerzen. Außerdem war er sehr neugierig auf Amaurns Besucherin oder vielmehr auf die Besucher.
Endlich war es geschafft, und er brauchte nur noch eine leichte Sperre zu hinterlassen, um die restlichen Schmerzen bei der Heilung zu dämpfen. Er zog sich erleichtert aus Amaurns Geist zurück und streckte seinen verkrampften Rücken. Dabei begegnete er zwei großen grauen Augen in einem Gesicht von erlesener Schönheit. Er merkte nicht, dass er sie anstarrte, bis sie ihm ins Gesicht schlug. Er hatte den Schlag nicht kommen sehen, und es riss ihm den Kopf heftig zur Seite. Da erst fiel ihm die Narbe auf ihrer Wange auf, und er begriff, dass sie annehmen musste, er habe darauf gestarrt.
Es würde nicht leicht werden, aus dieser Lage herauszukommen. Wenn er bestritt, ihre Entstellung angestarrt zu haben, bewies das nur, dass er hingesehen hatte. Und je länger er schwieg, desto tiefer wurde das Missverständnis. Sein Verstand raste. »Es tut mir Leid, dass ich dich angestarrt habe«, sagte er. »Das war sehr ungehobelt. Aber hat dir noch niemand gesagt, dass du wunderschöne Augen hast?«
Die wunderschönen Augen verengten sich misstrauisch – aber was hätte die Besitzerin sagen können? Wenn sie ihn beschuldigte, auf die Narbe geblickt zu haben, würde sie selbst die Aufmerksamkeit darauf lenken. Plötzlich empfing er ein Kichern auf einem sehr geheimen Gedankenstrang. »Hi, hi. Das hat sie durcheinander gebracht. Nicht schlecht, Fremder. Du könntest mir gefallen.« Der Überbringer blickte an der jungen Frau vorbei und sah dort ein großes Drachenwesen bei einem
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