Der Schattenbund 03 - Das Auge der Unendlichkeit
die Zeichnung einer Brücke und einer Plattform über einem tiefen Abgrund und einen großen Ring, der darüber in der Luft schwebte. »Das ist das Allerheiligste des Tempels, das außer dem Hierarchen niemand betritt!«, keuchte er mit seiner eigenen Stimme.
Amaurn sah schuldbewusst weg.
Das glaubst du.
Unterhalb dieser Zeichnung war der Hierarchenring dargestellt. Amaurn fröstelte. Er wusste, jetzt wurde es entscheidend, würde endlich zu etwas führen – da hier der Ring ins Bild kam, war er ziemlich sicher, dass eine Verbindung zur Schleierwand bestand.
Zavahl sprach wieder mit Aethons volltönender Stimme und bestätigte seinen Verdacht. »Amaurn, es gibt da eine Erinnerung meines Volkes an einen geheimen Zugangsort – oder vielleicht auch mehr als einen – der zu der geistigen Kraft führt, die die Welt aufrechterhält. Ich glaube, einer befindet sich hier unter dem Tempel. Vielleicht ist er von dem Ort aus zugänglich, den der Hierarch das Auge Myrials nennt, oder wir können durch die Tunnel hingelangen, die Scall gefunden hat. Um herauszufinden, was wir wissen wollen, müssen wir anscheinend nach Tiarond zurückkehren, ungeachtet der Ak’Zahar. Wir werden auch den Ring von Gilarra verlangen müssen – wenn sie überlebt hat.«
Amaurn verbarg das Gesicht in den Händen und stöhnte. »Der Ring ist also der Schlüssel zum Ganzen?«
»Das vermute ich.«
»Dann sind wir in arger Bedrängnis.« Er sah Zavahl an. »Als du gerettet wurdest, brach die Plattform ein und der Ring glitt Gilarra vom Finger. Ich habe es gesehen, aber ich lag unter einem Balken eingeklemmt und kam nicht rechtzeitig an ihn heran. Ein Ak’Zahar schnappte ihn sich. Sie haben nun den Ring. Er kann sonstwo sein.«
Es folgte ein langes Schweigen. Amaurn schaute Veldan von der Seite an und sah, dass sie sehr blass geworden war. Da erst fiel ihm ein, dass Elion erwähnt hatte, sie sei bei der letzten Begegnung mit den Bestien schlimm verwundet worden. Dann reichten die Narben also tiefer, als man sehen konnte. Der Gedanke griff ihm ans Herz.
Toulac schließlich unterbrach die Stille. »Es sieht also so aus, als gingen wir bald nach Tiarond zurück – was immer dann geschieht.«
»Aber wozu denn? Es hat doch bestimmt keinen Zweck, wenn wir den Ring nicht haben, und wir wissen nicht einmal, was wir dort tun sollen«, hielt Elion ihr entgegen. Amaurn entsann sich, dass der Wissenshüter in demselben Scharmützel seine Partnerin verloren hatte. Kein Wunder, dass er sich sträubte.
»Nun, wir erreichen gar nichts, solange wir in Gendival auf unserem Hintern sitzen bleiben, das steht fest«, warf Toulac darauf ein.
»Sie hat Recht«, sagte Aethon durch Zavahl. »Wir wissen wohl nicht genau, wie wir die Gefahr bannen können, aber das entscheidende Geheimnis befindet sich unter Tiarond, und das Gerät, das Scall gefunden hat, zeigt uns Pläne der Tunnel. Vielleicht können wir, wenn wir hingelangen, an Ort und Stelle herausfinden, was zu tun ist. Vielleicht sehe ich dort etwas, das in mir eine entscheidende Erinnerung weckt …«
»Und vielleicht werden wir alle für nichts und wieder nichts umkommen«, schnaubte Kaz.
Eine Rückkehr nach Tiarond war zwar das Letzte, was Amaurn gern unternommen hätte, doch er wusste, er würde es tun müssen.
Das alles ist meine Schuld. Ich kann hier kein neues Leben beginnen und für meine Tochter und die Welt keine Zukunft aufbauen, ehe ich wieder gut mache, was ich angerichtet habe. Und ich will nicht andere in die Gefahr schicken, damit sie den Preis bezahlen, den ich gerechterweise auf mich nehmen müsste.
»Du hast vollkommen Recht, Toulac«, sagte er. »Wir werden zurückgehen müssen – und wir haben keine Zeit zu verlieren. Mit jedem Tag, der verstreicht, schwinden die Chancen, den Ring zu finden, und was noch schlimmer ist: Der Verfall der Schleierwand scheint sich zu beschleunigen. Je länger wir zögern, desto mehr Völker teilen das Schicksal der Dobarchu.« Er blickte alle der Reihe nach an, wobei er sich anstrengte, nicht bei Veldan zu verweilen. »Doch nicht alle brauchen diese Reise zu unternehmen oder vielmehr sollten sie es gar nicht.«
»Ja, du zum Beispiel.« Die schonungslosen Worte kamen von seiner Tochter.
»Was lässt dich glauben, dass ich die Absicht hatte?«, fragte er, um Zeit zu gewinnen.
Sie bedachte ihn mit einem missbilligenden Blick. »Dein Gesichtsausdruck, dein Tonfall, deine Wortwahl … Muss ich fortfahren?«
»Nein, du hast ganz Recht.« Hier war
Weitere Kostenlose Bücher