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Der Schattenesser

Der Schattenesser

Titel: Der Schattenesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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bin. Es gibt nur eine lebende Kanonenkugel in der Stadt .«
    »Hoffentlich bald eine zweite«, bemerkte sie.
    »Du willst es wirklich tun, nicht wahr?« fragte er noch einmal.
    »Es ist die einzige Möglichkeit, dem Engel zu entkommen. Vielleicht ist er schon hierher unterwegs.«
    »Dann sollten wir uns beeilen.« Kaspar spannte Ferdinand vor den Kutschbock, und
    kurze Zeit später standen Pferd und Wagen draußen auf dem Hof. Ein Strick wurde von der Kanone quer durch den offenen Wagen bis hin zu dem Pferd gezogen, Kaspar löste das Tier wieder aus dem Geschirr und trieb es nach vorne. Ganz langsam wurde die Kanone über zwei Bretter in den Wagen gezogen. Sarai drückte mit aller Kraft von hinten gegen das Geschütz. Kaspar schloß sich ihr an, und gemeinsam gelang es ihnen, die Kanone, nun mit gesenktem Rohr, in den Wagen zu schaffen.
    Es war stockdunkle Nacht, als Kaspar das Gespann hinaus auf die menschenleere Gasse führte. Sarai ging zwischen ihm und dem Pferd. Der Kutschbock blieb leer, weil sie dem entkräfteten Tier nicht noch ihr eigenes Gewicht zumuten wollten. Kaspar führte Ferdinand am Zügel. Dem Jungen war anzusehen, daß er unter der Qual des Pferdes litt.
    Hinter einigen Fenstern erschienen Gesichter im Kerzenschein. Manch einer mochte befürchten, ein Pestkarren klappere durch die Straßen und sammle die ersten Toten auf dieser Seite des Flusses ein. Es war so finster, daß kaum einer die bunten Bilder auf den Seitenwänden des Wagens bemerken würde. Sarai schöpfte neue Hoffnung. Bis zum Fluß schien ihnen keine Gefahr zu drohen. Dann erst würde es ernst werden.
    Sie hielten das Gespann am Ende einer Gasse an, deren Mündung hinaus auf den Uferweg führte. In weiten Abständen brannten Fackeln nahe des Wassers. Söldner waren von hier aus keine zu erkennen, doch das mußte nichts bedeuten. In der Dunkelheit konnten sie überall lauern.
    Sarai kamen zum erstenmal Zweifel an ihrem Plan.
    »Kaspar?« flüsterte sie.
    »Was ist?« fragte er ebenso leise.
    »Du bist wirklich schon mit diesem Ding geflogen, ja?
    Ich meine, du wolltest nicht nur aufschneiden?« »Sehe ich aus, als hätte ich das nötig?
    «In seinem zerschlissenen Gauklerkostüm tat er das tatsächlich, aber sie beließ es bei dieser stummen Feststellung. Statt dessen sagte sie: »Du hast mir noch nichterklärt, was ich tun muß, wenn es soweit ist. Da draußen könnte die Zeit knapp werden.«
    Er lächelte. »Du verlierst doch jetzt nicht den Mut, oder?«
    »Mach dir keine Sorgen«, erwiderte sie ein wenig erbost, obgleich er nicht ganz unrecht hatte. »Erklär mir einfach, wie es geht.«
    Er nickte. »Komm mit in den Wagen.«
    »Und wenn die Söldner sehen, daß wir hier stehen?«
    »Hier ist keiner von denen weit und breit. Wahrscheinlich sind sie damit beschäftigt, die Brücke zu sichern und mit Kähnen den Fluß abzusuchen.« Sarai folgte ihm zögernd in den Wagen. Dort öffnete er eine Kiste. Darin lag etwas, das auf den ersten Blickaussah wie der Harnisch eines Ritters.
    »Du streifst das hier über. Es geht auch ohne, aber mit ist sicherer.«
    Prüfend hob sie eine Ecke der merkwürdigen Rüstung in die Höhe. »Das ist viel zu schwer. Ich werde untergehen.«
    »Nein, wirst du nicht«, widersprach er. »Ich habe es dutzende Male getan und bin nicht ertrunken. Du kannst doch schwimmen, oder?«
    »Ein wenig.« Sie war erst vor wenigen Tagen, gleich nach dem Tod ihres Vaters, durch den Fluß geschwommen. Irgendwie würde sie auch diesmal ans andere Ufer gelangen. Vorausgesetzt, der Harnisch zog sie nicht in die Tiefe.
    »Sieh her«, sagte er. »Am Rückenteil der Rüstung sind Schweinsblasen befestigt. Sie sind voller Luft und halten dich an der Oberfläche. Es sind insgesamt drei Stück. Manchmal platzt eine, wenn die Kanone zündet, aber die beiden übrigen reichen aus.«
    Sie nickte. »Und weiter?«
    »Mit diesen Schnallen hier kannst du die Rüstung öffnen. Zieh einfach an den beiden Laschen, dann geht alles wie von selbst. Die Rüstung treibt oben, und du kannst fortschwimmen. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du sie mit an Land ziehen würdest. Ich habe nur die eine.«
    »Bricht einem die Zündung nicht die Knochen?«
    »Du mußt dich im Rohr zusammenkugeln und dich fest auf den Grund setzen. Es ist wie ein heftiger Tritt in den Hintern. Es tut weh, aber wenn du in der Luft bist, merkst du nichts mehr davon. Ein paar blaue Flecken hier und da, das ist alles.«
    Er lächelte aufmunternd, dann kletterten sie wieder ins

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