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Der Schattengaenger

Der Schattengaenger

Titel: Der Schattengaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Feth
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ich ihn abholen. Doch die Freude darüber war fast verflogen. Der Gedanke an den toten Bussard ließ mich nicht los.
    Merle war noch immer außer sich. Sie konnte nicht fassen, dass ein Mensch es fertigbrachte, einer wehrlosen Kreatur so etwas anzutun.
    »Ein Tier würde sich niemals so verhalten.«
    Ich erinnerte sie halbherzig daran, dass es sich bei dem Bussard um einen Raubvogel handelte, doch natürlich wusste ich, was sie meinte.
    »Wie mag es im Kopf eines solchen Scheißkerls aussehen?«, fragte sie.
    Das wagte ich mir gar nicht auszumalen, denn der tote Bussard war mehr als eine Drohung. Er war ein Versprechen. Ich war heilfroh, dass meine Mutter sich in Sicherheit befand.
    Niemand außer dem Kommissar kannte ihre neue Adresse, nicht einmal Tilo. Der Kommissar hatte es für sinnvoll gehalten, uns alle auf diese Weise aus dem Spiel zu nehmen, wie er es nannte.
    Wir waren damit einverstanden. Was wir nicht wussten, konnten wir auch nicht ausplappern, selbst dann nicht, wenn der Täter versuchen würde, uns unter Druck zu setzen.
    Merle und ich hatten uns ein paar DVDs besorgt, die wir uns übers Wochenende ansehen wollten. Wir hatten gerade  die erste Viertelstunde von Blair Witch Project hinter uns, da klingelte das Telefon.
    »Luke«, sagte Merle nach einem Blick auf das Display und reichte das Telefon mit einem bedeutsamen Grinsen an mich weiter.
    »Ich muss dich treffen«, sagte Luke, ohne sich erst mit einer Begrüßung aufzuhalten.
    Seine Worte ließen mich an allem zweifeln, was ich mir vorgenommen hatte - ihn nicht mehr zu sehen, mich auch innerlich zu distanzieren und mich vor allem auf keine Diskussion darüber einzulassen.
    »Bitte, Luke«, sagte ich. »Halt dich an die Vereinbarungen.«
    »Es waren deine Vereinbarungen«, antwortete er, »nicht meine.«
    »Ich bin noch nicht so weit«, sagte ich.
    Eine Weile schwiegen wir. Jeder sammelte Munition für das, was kommen würde.
    »Ich will dich nicht vor den Altar zerren«, begann Luke. »Ich möchte nur mit dir reden.«
    »Dazu hattest du Zeit genug.«
    »Jette! Bitte!«
    Ich merkte, wie mir die Tränen kamen. Etwas in mir wollte sich ihm jetzt und sofort in die Arme werfen. Etwas anderes in mir warnte mich.
    »Ich kenne dich überhaupt nicht«, flüsterte ich.
    »Dann lern mich kennen!«
    »Ab jetzt lässt du mich teilhaben an deinem Leben? Du erzählst mir von dir, deinen Jobs und deinen Träumen?« Und schwörst mir, dass du nichts mit dem Albtraum meiner Mutter zu tun hast?
    »Wenn du das willst, ja.«
    Ich wollte ihm so gern glauben, aber ich konnte nicht.  Wahrscheinlich hatte das immer noch mit damals zu tun. Erfahrungen kann man nicht mit einem Mausklick löschen.
    »Gib mir Zeit, Luke. Bitte.«
    Ein Klicken, und das Gespräch war beendet. Ich starrte auf das Display. Teilnehmer hat aufgelegt.
    Nach einem forschenden Blick in mein Gesicht ließ Merle den Film, den sie gestoppt hatte, weiterlaufen. Sie hatte gelernt, mich in Ruhe zu lassen, wenn ich nicht reden wollte. Ich war ihr dankbar dafür.
     

Kapitel 23
    Manuel setzte sich intensiv mit Imke Thalheims Büchern auseinander. Sie verriet darin wahrhaftig eine Menge über sich selbst. Wusste sie denn nicht, wie gefährlich das werden konnte? All die Spinner da draußen, hatte sie das gar nicht bedacht?
    Er hatte auch noch einmal die wichtigsten Interviews gelesen. Dabei war ihm aufgefallen, dass sie selten direkt von ihrer Tochter sprach. Sie beschrieb die Beziehungen der Mütter und Töchter, wie sie in ihren Romanen vorkamen. Jette selbst tauchte in den Äußerungen ihrer Mutter so gut wie nie auf.
    »Du willst sie schützen«, sagte Manuel leise.
    Es war ihm zur Gewohnheit geworden, sich während der Arbeit mit Imke Thalheim zu unterhalten, in Gedanken oder flüsternd, so wie jetzt. In der Werkstatt war der Teufel los. Inspektionen, Reparaturen und dazwischen etliche Kunden, denen spontan eingefallen war, dass ihre Winterreifen noch gegen Sommerreifen ausgetauscht werden mussten.
    Die Türen standen weit offen, um die angenehme Frühlingsluft hereinzulassen. Wenn gerade einmal nicht alle Werkzeuge um die Wette lärmten, hörte man draußen die Vögel singen. Sie klangen anders als in den vergangenen Wochen, fröhlich, beinah verheißungsvoll. Als hätten sie schon eine Ahnung von den ersten strahlend blauen Sommertagen.
    Sobald er Imke Thalheim gewonnen hätte, würde Manuel  mit ihr verschwinden. Geld wäre kein Problem. Er hatte hart gearbeitet und jeden Cent zurückgelegt.

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