Der Schattengaenger
lassen, der sich feige im Dunkeln hielt. Bert musste das akzeptieren.
»Für alle Fälle haben Sie ja meine Nummern«, sagte er. »Festnetz und Mobil. Haben Sie keine Scheu, mich anzurufen, wenn Sie meine Hilfe brauchen.«
»Danke.«
Er hatte den Kontakt zu ihr verloren. Sie wirkte kühl und abweisend. Wie hatte er vergessen können, was er war? Ein Polizeibeamter, dachte Bert. Und sie ist eine berühmte Schriftstellerin.
Wortlos drehte er sich um und ging zu seinem Wagen. Er schaute nicht mehr zurück. Weil er nicht wissen wollte, ob sie die Tür zugemacht hatte oder ihm nachsah. Nach Hause, bloß weg von hier, dachte er und wäre doch am liebsten wieder umgekehrt.
Einen Bullen erkannte Manuel auf den ersten Blick. Er war froh, dass der Typ nach dem ganzen Hin und Her endlich in seinen Wagen gestiegen und abgerauscht war.
Wie er sich umgeschaut hatte! Mit einer Intensität, die Manuel ein ganzes Stück tiefer in den Schutz der Sträucher getrieben hatte. Die Zweige und Äste hatten sich wie Finger in seine Kleidung gekrallt und von allen Seiten an ihm gezerrt. Er hatte es kaum gewagt, sich zu regen.
Verpiss dich! Du hast den Garten doch schon abgesucht. Was willst du denn noch?
Irgendwas stimmte nicht mit diesem Bullen. Irgendwas lief da völlig falsch. Manuel konnte es förmlich riechen. Er hatte mal ein Buch über Körpersprache gelesen. Seitdem hatte er einen Blick dafür. Dieser Bulle bewegte sich nicht wie ein Bulle. Er behandelte die Frau nicht, wie ein Bulle sie behandeln würde. Er behandelte sie wie …
Wie ein Mann!
Manuel beobachtete die beiden aus seinem Versteck heraus. Eifersucht nagte an ihm. Und hinter dieser Regung lauerte eine andere Empfindung, bereit, auszubrechen und ihn alles kurz und klein schlagen zu lassen. WUT.
Wie konnte dieser Typ es wagen, die Frau so anzuschmachten! So lange ihre Hand festzuhalten! Und sie dann so eilig loszulassen, als hätte er sich daran verbrannt! So lange zu zögern, bis er den verdammten Motor zündete!
Fast wäre Manuel aus seinem Versteck gestürzt, doch der Ausdruck auf dem Gesicht der Frau hatte ihn daran gehindert. Sie schien erleichtert zu sein, dass der Bulle sie verließ.
Hau ab! Sie will dich nicht hierhaben. Bist du blind?
Das Geräusch des sich entfernenden Wagens war leiser geworden und schließlich ganz verstummt. Die Haustür hatte sich wieder geschlossen.
Manuel entspannte sich. Begierig wartete er darauf, dass die Frau sich wieder in den Wintergarten begeben würde, doch das tat sie nicht. Nicht richtig. Sie räumte nur den Tisch ab und warf immer wieder gehetzte Blicke hinaus. Schließlich zog sie sich zurück, obwohl die Teekanne noch auf dem Tisch stand.
Die Rollläden fuhren quietschend nach unten.
Enttäuscht biss Manuel sich auf die Unterlippe. Er beobachtete, wie die Rollläden nach und nach sämtliche Fenster verschlossen und ihm den Blick versperrten.
Er hatte die Schallmauer durchbrochen und war zum ersten Mal hierhergekommen. Er hatte sich das ganz anders vorgestellt.
In einem Fenster des ersten Stocks flammte Licht auf. Manuel hielt den Atem an. Würde sie auch dort die Rollläden herunterlassen? Er wartete. Kaute nervös am Daumennagel. Nichts geschah.
Und dann sah er ihren Schatten an der erleuchteten Zimmerdecke, wie er sich hin und her bewegte.
»Meine Frau«, flüsterte er in die Dunkelheit und betonte beide Worte. »Du gehörst mir, auch wenn du es noch nicht weißt.«
Erst jetzt entdeckte Imke das blinkende Licht des Anrufbeantworters. Als sie Tilos Stimme hörte, kamen ihr die Tränen. Sie setzte sich an ihren Schreibtisch und machte den Computer an. Durch den Tränenschleier konnte sie den Monitor nur in Umrissen erkennen. Sie hörte sich schluchzen und fühlte den Schmerz der verkrampften Muskeln in der Kehle. Ihre Schultern bebten und zuckten.
Das war nicht nur die ausgestandene Angst. Da hatte sich vieles angesammelt, was sich ein Ventil suchte. Ein Damm war gebrochen. Ihr Schutzwall, in all den Jahren mühselig aufgeschichtet, zerstört durch einen heimtückischen Akt der Gewalt.
Stille Gewalt hatte manchmal eine weitaus verheerendere Zerstörungskraft als die Gewalt, die explosionsartig hervorbrach. Hatte sie das irgendwo gelesen? Oder selbst geschrieben? Der Gedankengang kam ihr so vertraut vor.
Stille Gewalt. Das war kein Widerspruch.
Heb es auf!
Imke musste seine Worte aus dem Kopf kriegen. Den Klang seiner Stimme. Durch ihr Ohr war beides in ihren Körper eingedrungen. Wie ein Gift.
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