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Der Schattenjäger (German Edition)

Der Schattenjäger (German Edition)

Titel: Der Schattenjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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in seiner Hand schwenkte.
    »Lasst sie los!«, sagte er zu den beiden Männern.
    Kaum hatten sie den Griff an Mrs Kesslers Armen gelockert, sank sie zu Boden. Sie war so lange gegen ihren Willen festgehalten worden, dass sie das Gleichgewicht verlor. Die Schritte der Männer auf dem Marmorboden wurden schwächer, dann fiel hinter ihnen die große Tür ins Schloss. Sie richtete sich auf und zwang sich, dem
Mechaschef
in die Augen zu schauen, damit er nicht glaubte, sie sei ihm gefügig.
    »Wissen Sie, wer ich bin?«, fragte der graue Mann.
    Sie nickte. Sie kannte ihn von seinen Stippvisiten in der Fabrik. Außerdem hatte sie sein Foto oft genug in der Zeitung gesehen, um ihn wiederzuerkennen.
    »Entschuldigen Sie die Umstände«, sagte er, »aber ich muss Sie persönlich in einer Angelegenheit sprechen, die für uns beide wichtig ist.«
    »Was verlangen Sie?«, fragte sie.
    »Nur eine Kleinigkeit, die Sie für mich erledigen könnten. Aber zuerst sollten wir uns besser kennenlernen.«
    Er hob die Hand und sogleich trat eine schlangengleiche, hexenhafte Frau aus dem Dunkel neben dem großen Kamin. Sie hielt eine kleine goldbeschichtete Walze aus Wachs in der Hand. Die Walze sah aus wie ein Schmuckstück oder ein Kinderspielzeug, aber es schien eine geheime Kraft in ihr zu liegen.
    Die Schlangenfrau holte nun einen Apparat aus dem Schatten, der wie ein Phonograph aussah, und legte die Walze an passender Stelle ein. Dann drehte sie an einer Kurbel.
    Vor den ersten Klängen der Musik hatte Mrs Kessler geglaubt, sie habe um ihre Kinder Angst ausgestanden. Doch mit den ersten Tönen der magischen Melodie wurde ihr deutlich, dass sie noch nicht wusste, was wirkliches Entsetzen war. Nicht in den
Pogromen
in Russland, nicht im Zwischendeck des Dampfers, wo sie zusammengekauert den Sturzwellen lauschte, die sich an Deck brachen und über die Einstiegsluken spülten. Nicht auf Ellis Island, als sie zusammengepfercht mit anderen Einwanderern auf das Urteil des Gesundheitsbeamten wartete, der ihren Kindern in die Augen schaute und dann mit Kreide geheimnisvolle Zeichen malte, die besagten, wer bleiben durfte oder wieder zurück über das Meer geschickt wurde. Bisher hatte sie immer nur um das Leben ihrer Kinder gefürchtet. Jetzt stand sie im Duell mit einem Mann, der die Macht besaß, Leib und Seele zu vernichten.
    Schließlich endete die entsetzliche Musik und der Apparat produzierte nur noch ein leeres Rauschen. Der
Mechaschef
sprach mit ruhiger Stimme.
    »Sie wissen ohne Zweifel, wer das ist.«
    »Das ist mein Sohn. Mein Sascha. Sie haben ihm die Seele geraubt und … in Musik verwandelt.«
    »In vergleichsweise gute Musik, finden Sie nicht? Sie hat eine Tiefe und Vielschichtigkeit, die man bei vielen ätherographischen Aufnahmen vermisst … Ich habe mittlerweile so viele gehört, dass ich mich einen Kenner nennen darf.«
    Mrs Kessler fehlten die Worte.
    »Was würden Sie tun, um seine Seele zurückzubekommen? Sie sind eine stolze Frau, das lese ich in Ihrem Gesicht. Aber für Ihre Kinder würden Sie alles tun.«
    »Ja«, flüsterte sie. »Alles, was Sie wollen.« Wozu es leugnen? Sie streckte schon die Hand nach der Walze aus.
    »Moment!« Er bremste ihren Eifer. »Zuvor müssen Sie noch jemanden kennenlernen, Sie sind nämlich nicht die Einzige, die dieses kleine Schmuckstück gern hätte.«
    Er führte sie zurück durch die Bibliothek, durch das hallende Marmorfoyer, die Wendeltreppe hinunter in die private U-Bahn-Station.
    Am Ende des Bahnsteigs befand sich eine kleine, unscheinbare Tür. Dahinter führte eine Treppe noch weiter in die Tiefe, so tief, dass die Luft nach Würmern, Zeit und Finsternis roch. Dann betraten sie einen Raum, in dem der schwere Dunst der Magie einem fast den Atem verschlug.
    Am Ende dieses Raumes, wo das Deckengewölbe in schwere Schatten überging, befand sich ein gemauertes Rund. Beim Nähertreten erkannte Mrs Kessler, dass es der Rand eines Brunnens war, der ganz so aussah wie der, aus dem sie als Kind Wasser geschöpft hatte. Der Schacht war über und über von Magie erfüllt, sodass schwer auszumachen war, was sich am Grund des Brunnens befand. Sie konnte Magie nicht sehen wie Sascha. Aber sie erkannte immerhin so viel, dass es sich um den Kerker eines so dunklen, gefährlichen Dämons handelte, dass sich selbst ein Magier, der Seelen in seine Gewalt bringen konnte, vor ihm fürchtete.
    Die Erinnerung an die Geschichten, die ihr Vater ihr in ferner Kindheit erzählt hatte, kamen zurück,

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