Der Schattensucher (German Edition)
ankamen, war das Heer schon losgezogen, um Gereons Männer zu verstärken. Wir folgten und konnten sie rechtzeitig abfangen. Ich erklärte dem Kommandanten die Situation und dank der Unterstützung durch Senator Alkis ließ er seinen Befehl erneuern. Wir kamen hierher, umstellten den Platz und forderten ein sofortiges Einstellen der Kämpfe. Ich glaube, dass beide Seiten froh darüber waren.«
»Das heißt nicht«, warf Alkis grimmig ein, »dass es nicht noch Aufklärungsbedarf gäbe.«
»Ihr werdet sehen«, sagte Thekla, »dass alles der Wahrheit entspricht, was ich Euch gesagt habe. Und mit Eurer Zustimmung lassen wir das brianische Heer in Frieden heimkehren. Ich denke nicht, dass uns ein weiterer Angriff bevorsteht, jetzt, wo der Graf befreit wurde.«
Thanos schüttelte den Kopf und dankte dem Kommandanten. Alkis stellte weitere Fragen, wollte über den Verbleib von Senator Gereon informiert werden und ließ den Ort genau untersuchen.
Um die Mittagszeit sammelten sich die Brianer, luden ihre Toten und Verletzten auf die Pferde und zogen zu Fuß der Heimat entgegen. Die alsunischen Bürger säumten die Straßenränder, runzelten die Stirn oder machten große Gesichter, als sähen sie etwas, was man nie im Leben zu sehen bekommt.
52. Kapitel
Briangard, Jahr 304 nach Stadtgründung
Die Spitzen der Türme von Briangard zeigten nach oben, dorthin, wo die Wolken sich verzogen hatten und den Blick in ein unendliches Grauweiß freigaben. Der Bussard kreiste um den höchsten Turm. Wer ein geübtes Auge hatte, konnte ihn von Alsunas Nordstadt aus beobachten. Vielleicht waren es jetzt ein paar Bürger mehr, die gelegentlich zum Turm hinaufschauten und sich fragten, ob es wohl jemanden gab, der manchmal zu ihnen hinunterblickte. Möglicherweise sah Briangard, nachdem das Heer des Grafen durch Alsuna gezogen war, für den einen oder anderen nicht mehr so aus wie früher. Es mochte ein neues Gesicht bekommen oder auch Neugier geweckt haben. Ansonsten aber hatte sich äußerlich wenig verändert. Die Festung stand, wie sie immer gestanden hatte, und das Leben in Alsuna drehte sich weiter. Auf dem Markt wurden allerlei Heilmittel angeboten, der Orden der Redlichkeit schwang weiter seine Reden. Man lachte und sagte dem Boten, er habe wohl die Rückkehr des Grafen verschlafen.
Wenn es eine solche Rückkehr geben sollte, war es noch ein weiter Weg dorthin. Der Graf, erholt von Gereons Angriff, mühte sich zwar um Gespräche. Viel mehr als die üblichen diplomatischen Treffen ließ der Senat vorerst aber nicht zu. Thekla und ein junger Kaufmann waren es, die nun regelmäßig Briangard besuchten und mit dem Grafen am Tisch saßen.
Bei ihrem ersten Treffen verkündeten die beiden Senatoren, dass der Senat die Trennung zwischen Alsuna und Briangard nicht aufheben wolle. Man denke aber darüber nach, die Regeln zu entschärfen. Noch immer sei man sich über die Herkunft der Seuche im Unklaren. Die Untersuchungen von Alkis hätten ergeben, dass sich Gereons Schuld bezüglich der Seuche nicht beweisen lasse. Deshalb sei es weiterhin eine Frage der Sichtweise, wie man zu Briangard und dem Grafen stehe. Ferner lasse man die Sache mit Gereon auf sich beruhen. Sein Handeln sei nicht im Sinne des Senats gewesen und er habe dafür die gerechte Strafe erhalten. An der Nachrichtentafel des Senatshauses werde dies bekannt gegeben. Ansonsten werde man sich um einen baldigen Nachfolger für Gereon im Senat kümmern und nicht weiter über das Geschehene reden. Schließlich sei es im Interesse aller, die erneute Gefahr eines Krieges zu unterbinden. Zuletzt forderte der Senat die Auslieferung des Schattensuchers an die Stadtwache. Hier wurde der Graf erstmals streng: Der Mann sei ein Brianer und seine Schuld sei längst abgegolten. Ein anderer habe die Todesstrafe an seiner statt erlitten.
Als die beiden Senatoren sich verabschiedeten, beschloss man ein möglichst baldiges Wiedersehen. Gerne würde der Graf auch einmal Besucher in Alsuna sein.
Levin bekam von alledem wenig mit. Die meiste Zeit des Tages verbrachte er in dem Gemach, das man Elena im Palast eingerichtet hatte. Er saß neben ihrem Bett, wischte ihr den Schweiß vom Gesicht und sorgte dafür, dass ihr nicht langweilig wurde. Manchmal erzählte er ihr von früher und manchmal stand er am Fenster und berichtete, was im Hof unten vor sich ging.
Elena konnte nur an guten Tagen aufstehen. Dann spazierten sie durch den Garten oder saßen bei Thanos in der Bibliothek und ließen sich
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