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Der Schattensucher (German Edition)

Der Schattensucher (German Edition)

Titel: Der Schattensucher (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timo Braun
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ernsthaft.
    »Ja, vielleicht ist das schon sehr lange so. Je mehr Menschen einwanderten, umso schwieriger wurde es für mich, ihnen meine Ziele zu vermitteln.«
    »Die Menschen haben ihre eigenen Ziele. Das ist doch nichts Schlechtes, oder?«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es noch vor ein paar Generationen war. Es gab keinen Unterschied zwischen dem eigenen Willen und dem, was um einen herum geschah. Das Denken der Menschen und ihr Handeln waren eins, und dies wiederum war eins mit den Zielen der ganzen Stadt.«
    »Das ist schwer vorstellbar.«
    »Ich verstehe dich. Man muss es erlebt haben.«
    »Und es hörte auf?«
    »Ja. Alles entwickelte sich anders, als ich es mir vorgestellt hatte«, sagte er mit Wehmut und Zorn in der Stimme.
    »Und dann?«
    Thanos atmete tief durch und schluckte. »Dann musste ich Maßnahmen ergreifen; Maßnahmen, die mich sehr geschmerzt haben, die aber nötig waren.«
    Jetzt , dachte Levin, jetzt darf ich keinen Fehler machen. Ich bin näher dran, als ich erhofft hatte.
    »Hast du sie bereut?«
    Der Graf schüttelte langsam den Kopf. »Man kann nichts bereuen, was notwendig ist.«
    »Hatte es denn Erfolg?«
    Jetzt rückte Thanos seinen Stuhl zurück und zeigte einen nachdenklichen Blick. »Du bist ein wunderbarer Mann, Linus. Es tut gut, mit einem Menschen zu reden, der meine Sprache spricht und ehrlich ist; auch wenn ich merke, dass es noch viele Dinge gibt, die du mir nicht sagen willst.« Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern stand auf und ging zu einer Tür. »Weißt du, was hinter dieser Tür liegt?«
    Levin zuckte mit den Schultern.
    »Es ist mein Labor. Vielleicht ist es der wichtigste Ort in diesem Palast. Hier geschehen die interessantesten Dinge. Willst du es sehen?«
    »Aber …«
    »Schon gut. Folge mir einfach.« Er öffnete die Tür, ging hindurch und winkte Levin, ihm zu folgen. Levin beeilte sich. Er huschte in den Raum und blieb hinter dem Grafen stehen.
    »Schau dich um«, sagte Thanos, »hier gibt es eine Menge zu sehen.«
    Die Aufforderung hätte Levin nicht benötigt. Erregt ließ er seinen Blick durch den weiten Raum schweifen, der eine völlig andere Atmosphäre besaß als die übrigen Räume im Palast. Das lag vor allem daran, dass es kein Fenster gab und die einzige Lichtquelle eine schmale Flamme war, die vom Boden bis zur Decke reichte. Sie war gleißend hell, man konnte kaum hineinschauen, ohne geblendet zu werden. Jeden Winkel des Raumes tauchte sie in ein weißlich gelbes Licht, nicht so trüb wie eine Fackel, aber dennoch warm. Die Flamme flackerte nur wenig und machte es einem leicht, jeden Gegenstand aufs Genaueste zu erkennen. Sie befand sich in einer eigenen Wandnische, durch die Helligkeit konnte man nichts dahinter erkennen. Aus einem dünnen Rohr an der Decke tropfte eine durchsichtige Flüssigkeit alle paar Sekunden in ein Auffangbecken am Boden, auf dem die Flamme thronte.
    »Das Meskanfeuer«, unterbrach Thanos Levins Gedanken. »Seit Jahren brennt es und gleicht keinem Feuer, das du je gesehen hast. Nichts ist belebender für den Geist, als bei einem solchen Licht zu arbeiten.«
    Levins Blick wanderte weiter. Im hinteren Teil des Raumes glitzerte es ihm entgegen. Auf Wandregalen standen allerlei bunte gläserne Gefäße und Figuren, in denen sich das Licht vielfach spiegelte. Einige davon waren nur Klumpen, deren Schönheit darin lag, dass sie unregelmäßige und doch harmonische Lichtmuster an die Wand warfen. Ein paar waren an einem Faden aufgehängt und ließen ihr Farbspiel immerzu über die Wände und den Boden gleiten.
    »Ach, meine Gläschen. Das ist nur ein Spiel. Du siehst, was sich mit dem Meskan alles machen lässt. Egal, welchem Material man es beimischt: Alles wird brillanter als das, was man gewohnt ist. Sehen sie nicht aus wie Edelsteine?«
    Levin konnte ihm nur zustimmen. Er dachte an den roten Stein, den er in seinem Gepäck versteckt hatte. Stets war er der Überzeugung gewesen, dass es in der ganzen Stadt keinen zweiten dieser Art gab. Offensichtlich hatte er sich getäuscht. Er stellte sich von Neuem die Frage, woher sein Freund ihn damals gehabt haben mochte.
    In anderen Regalen sah er viele weitere rätselhafte Gegenstände, die Thanos ihm erläuterte: ein metallenes Musikinstrument; ein vulkanartiges Gefäß, aus dem eine gelbe Flüssigkeit immer wieder von Neuem hervorbrach; eine Schwertklinge, so dünn wie ein Papyrus. Levin ging im Raum umher und betrachtete die Regale aus der Nähe, glitt mit der Hand über

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