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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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angewiesen, um die nach wie vor anwachsenden Pilgerströme zu schützen. Und der König selbst machte kein Geheimnis aus der Tatsache, dass »seine« Mönche ihm die Verteidigung der Grenzen und die Bewahrung des Friedens in seinem Reich um einiges leichter machten.
    St. Clair fand das ironisch, und er fragte sich oft, ob es seinen Brüdern ähnlich ging, obwohl er nie mit ihnen darüber sprach. Zu viele neugierige Ohren in ihrer Umgebung machten es ihnen nicht nur unmöglich, regelmäßig die Rituale ihres Ordens zu zelebrieren, sondern ebenso, über Dinge zu sprechen, die das Schicksal des Ordens der Wiedergeburt betrafen. Vielleicht würden sie eines Tages einmal ein Quartier ihr Eigen nennen, das ihnen wirkliche Zurückgezogenheit ermöglichte. Aber bis dahin war das Risiko, entdeckt zu werden, zu groß.
    Das hinderte Stephen St. Clair natürlich nicht daran, über die widersprüchliche Natur ihrer Existenz nachzudenken. Die kalte Realität und der eiskalte Zynismus ihres Daseins als Ritterorden ließen ihm keine Ruhe.
    »Was ist mit dir los?«
    Erschrocken öffnete er die Augen und sah Montdidier über sich stehen. Stöhnend hievte er sich auf einen Ellbogen hoch und zeigte auf die Lücke an der Oberkante der Wand, die in das leere Tunnelstück führte.
    »Ich bin –«
    Weiter kam er nicht, denn sein ganzer Mund war dick mit pulvrigem Staub verklebt. Er spuckte mühsam auf den Boden und versuchte dann vergeblich, sich die Lippen anzufeuchten, bevor er weitersprach. Diesmal war seine Stimme ein staubiges Krächzen.
    »Ich bin auf die andere Seite geklettert und wäre fast gestorben. Die Luft ist dort sehr schlecht.«
    Montdidier blickte mit einem Grunzlaut zu dem schmalen schwarzen Streifen auf.
    »Das war dumm von dir. Hier, trink etwas.«
    Er reichte St. Clair seine Wasserflasche.
    »Und was ist dort hinten?«
    St. Clair spülte sich den Mund aus und spuckte erneut auf den Boden, dann trank er einen Schluck Wasser und reichte Montdidier die Flasche zurück.
    »Ein leeres Tunnelstück. Ich bin durch die Wand gebrochen und wollte nachsehen, wie lang es ist, aber ich musste umkehren, bevor ich etwas sehen konnte. Wir müssen erst den Eingang freiräumen, damit sich die Luft erneuern kann, bevor wir es prüfen können.«
    »Natürlich. Glück gehabt, Bruder. Du solltest doch wissen, dass du so etwas nicht tun darfst, ohne vorher Hilfe herbeizurufen. Geht es dir besser?«
    »Noch ein paar Minuten. Aber ich danke dir.«
    »Hmm. Ich hatte das Gefühl, dass du furchtbar lange brauchtest, um uns die nächste Karre zu schicken, deshalb wollte ich nachsehen, was du tust. Du bist voller Staub, weißt du das?«
    St. Clair rieb sich mit dem Handrücken über die Wange, die mit einer Kruste überzogen war.
    »Das war der Schutt. Dort hinten ist er wie Mehl.«
    Montdidier zuckte unbeeindruckt mit den Achseln.
    »Als ich dich hier liegen gesehen habe, dachte ich, du wärst tot. Es sah aus, als wärst du in Stein verwandelt worden. Aber dann habe ich gemerkt, dass du noch atmest. Du hast wirklich Glück gehabt. So etwas kann schneller tödlich enden, als man denkt. Du hättest längst tot sein können, als ich auf den Gedanken gekommen bin, nach dir zu sehen.«
    »Hilf mir auf, es geht schon.«
    Montdidier zog ihn hoch, und St. Clair klopfte sich den Staub aus Kleidern und Haaren. Dann griff er nach seiner Schaufel und war schon wieder bei der Arbeit, bevor sich der andere Mann in Bewegung gesetzt hatte.
    Schnell vergaß er den leeren Tunnel jenseits der Wand und konzentrierte sich stattdessen auf die Dinge, die ihm durch den Kopf gegangen waren, bevor ihn Montdidier gestört hatte.
    Zynismus, das war es gewesen, worüber er nachgedacht hatte. Zynismus und Verlogenheit waren die Säulen, auf die sich der Ritterorden auf dem Tempelberg gründete.
    Stephen St. Clair war eine große Seltenheit unter seinen Altersgenossen – ein gebildeter Ritter, bei dessen Erziehung Moral und Gerechtigkeit eine große Rolle gespielt hatten. Die Dienstpflichten eines Ritters hatten ihn so abgestoßen, dass er schon früh darüber nachgedacht hatte, ein Kirchenmann zu werden. Da er seine Pflichten ernst nahm, hatte er seinen Lehnsherrn, den Grafen Hugh, persönlich aufgesucht und ihm erklärt, warum er das Unerhörte vorhatte und die Welt des Krieges gegen die des Gebetes eintauschen wollte.
    Graf Hugh hatte sofort begriffen, dass er es hier mit einem jungen Mann zu tun hatte, von dem der Orden der Wiedergeburt sehr profitieren konnte.
    Es hatte

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