Der Schatz des Blutes
entlockte ihm ein Lächeln.
Er steckte es in seine Gürteltasche, stellte die Lampe wieder an ihren Platz und griff erneut nach der Schaufel.
Dies war bei weitem nicht der erste Wertgegenstand, den sie seit der Entdeckung der Tunnel gefunden hatten. Sie hatten schon eine ganze Reihe herrlicher Schmuckstücke sowie zahlreiche Münzen aus Kupfer, Silber und sogar Gold gefunden, auf denen die Gesichter unterschiedlicher Kaiser abgebildet waren, vor allem Augustus und Tiberius, ein paar Mal aber auch Nero …
Als er am folgenden Tag an derselben Stelle weiterarbeitete, wanderte seine Hand immer wieder in die Gürteltasche, um geistesabwesend über die glatte Oberfläche des Juwels zu reiben, und er fühlte sich schuldig und töricht. Er hatte seinen Fund nicht, wie es sich gehörte, am Ende der Schicht an Bruder Godfrey ausgehändigt … sich aber gleichzeitig sehr über sein eigenes Verhalten gewundert.
Schließlich hatte er nicht vor, das Juwel zu stehlen, das wäre ihm nie in den Sinn gekommen. Der Edelstein hätte nur dann einen Wert für ihn oder seine Brüder besessen, wenn sie ihn hätten verkaufen wollen, und das wäre Wahnsinn gewesen. St. Clair empfand keine Gier, ihn zu besitzen; es drängte ihn nicht einmal, ihn zu betrachten, denn im fortwährenden Halbdunkel seines Schlafquartiers wäre die Schönheit des Steins unsichtbar gewesen.
Die Wahrheit war einfach, dass es etwas Beruhigendes an sich hatte, den glatten Stein unter seinem Daumenballen zu spüren, und er ihn noch nicht abgeben wollte. Also beschloss er, ihn einfach noch ein Weilchen zu behalten.
Damit bückte er sich und rammte seine Schaufel in die Wand.
Eine Woche später und zwanzig Schritte weiter gab die Wand vor ihm plötzlich nach, als er die Schaufel herauszog, und er sah sich einer klaffenden Lücke zwischen der Oberkante der Schuttwand und der Tunneldecke gegenüber. In Sekundenschnelle war er hinaufgeklettert und zwängte sich in ein Tunnelstück, das nicht zugeschüttet war. Doch kaum war er auf der anderen Seite, als seine Kerze plötzlich zu flackern begann, was darauf hindeutete, dass die Luft in dem freien Tunnelstück stickig war.
Er machte kehrt, um auf die andere Seite zurückzukriechen, schaffte es aber nur mit Kopf und Armen aus der Lücke, als ihn der beißende Qualm der erloschenen Kerzenflamme zum Husten brachte. Erschrocken begriff er, wie dicht er daran gewesen war, das Bewusstsein zu verlieren. Er ließ sich über die Kante hängen und holte gierig Luft, bis er sich kräftig genug fühlte, sich ganz aus der Lücke zu kämpfen. Dann lehnte er sich an die Wand, um zu der schmalen Lücke aufzublicken.
Bevor noch jemand versuchte, dieses Tunnelstück zu betreten, musste der Rest der Trennwand beiseitegeräumt werde, damit sich die Luft auf der anderen Seite erneuern konnte. Doch er konnte sich nicht dazu aufraffen, sofort mit dieser Arbeit zu beginnen.
Seine Panik war abgeklungen, und er war froh, wieder ungehindert atmen zu können. Weit hinter sich konnte er Stimmen und ratternde Räder hören, als Montdidier und Rossal die letzte Karre entleerten, die er ihnen geschickt hatte. Also konnte das Zwischenspiel nicht lange gedauert haben.
Sein Magen krampfte sich ohne Vorwarnung zusammen, und er ließ sich auf alle viere sinken, um sich zu übergeben. Danach ging es ihm besser, und er legte sich auf den Rücken und blickte zur Tunneldecke auf, während er sich allein darauf konzentrierte, tief und regelmäßig zu atmen. Die Luft war kühl und sauber, und sie kam ihm frischer vor als sonst.
Seine Hand wanderte an seine Brust, wo er den blauen Edelstein an einer Schnur um den Hals hängen hatte. Er begann, sanft mit Daumen und Zeigefinger über die glatte Oberfläche zu reiben, während sich seine Gedanken allmählich verloren.
Er sorgte sich nicht länger, weil er den Stein nicht an seine Brüder übergeben hatte, denn es war schließlich nur Zierrat ohne wirklichen Wert. Doch er konnte sich damit trösten, und für den Moment war ihm das wichtiger als jede stille Erinnerung an seine Schwüre und Gelübde – die ihm ohnehin immer seltener einfielen.
Die Armen Soldatenkameraden Jesu Christi und ihre Sergeanten hatten sich im Lauf der Jahre einen einwandfreien Ruf erarbeitet. Alle Welt betrachtete sie als Freunde und verlässliche Verbündete der Kirche, die keinerlei weltliche Ambitionen hegten und daher vertrauenswürdig waren in einer Welt, in der es kaum noch Vertrauen gab.
Warmund von Picquigny war auf sie
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