Der Schatz des Blutes
Gedanken?«
Stephen zuckte mit den Achseln.
»Es … es ist schwierig zu …«
»Nein, das ist es nicht. Es ist nie schwierig, wenn es aufrichtig gemeint ist. Du hast einfach nur Angst. Komm schon, heraus damit.«
»Ich kann nicht glauben, was man mir über den heiligen Paulus erzählt.«
Das schien keinen seiner Zuhörer im Mindesten zu überraschen, und der Graf lachte schallend auf.
»Das ist ja absolut kein Wunder, nachdem man dir ein Leben lang beigebracht hat, ihn zu verehren. Was du jetzt von uns hörst, klingt wie Gotteslästerung. Wenn dir das Kummer bereitet, so beweist das nur, dass du einen lebendigen, wachen Geist besitzt.«
»Aye, nun ja …«
»Nun gar nichts, Junge. Akzeptiere es einfach. Was du jetzt und hier lernst, ist die Wahrheit, so wie sie ursprünglich niedergeschrieben und seit über tausend Jahren nicht mehr verändert wurde. Was du allerdings bis jetzt gelernt hast, ist nur in den Augen der Männer, die die christliche Gemeinschaft gegründet haben, die Wahrheit.«
»Aber Paulus ist der wichtigste Heilige der ganzen Kirche.«
»Aye, das ist er … Das ändert ja nichts daran, dass sich die Kirche irren könnte. Kein gläubiger Christ wird es je wagen, sich zu fragen, ob Paulus vielleicht nur deshalb der bedeutendste Heilige der Kirche ist, weil er sich selbst dazu ernannt hat …«
Er hielt inne und sah Stephen an, dann fragte er: »Weißt du, wer die Makkabäer waren?«
»Äh … Juden. Nein, ich weiß es nicht.«
»Sagt dir der Begriff Seleukiden etwas?«
»Nein.«
»Nun, das wird sich gleich ändern. Die Makkabäer waren vor der Ankunft der Seleukiden und der Römer die Hohen Priester des jüdischen Tempels.«
Der Graf wandte sich an William.
»Erzähl ihm von den Seleukiden, aber so straff wie möglich.«
Sir William lächelte, dann wies er nickend auf den Grafen und sagte an Stephen gerichtet: »Bei ihm hören die Prüfungen nie auf. Nun gut, bevor ich beginne, solltest du eines wissen, Neffe. Du bist nicht der Erste, der dieses Problem hat. Wir haben das alle durchgemacht … die gleichen Ängste durchlebt, die gleiche Unsicherheit, und wir haben alle ähnlich reagiert … Jedes einzelne Mitglied des Ordens der Wiedergeburt hat irgendwann gegen diesen Zweifel angekämpft. Du bist also nicht allein. Vergiss das nicht. Verstehst du mich?«
Stephen nickte, und sein Onkel fuhr fort.
»Ausgezeichnet. Nun hör mir gut zu. Wir haben Beweise – und du wirst sie bald sehen – für alles, was du gleich hören wirst. Wie Hugh schon sagte, wurde das alles vor mehr als einem Jahrtausend niedergeschrieben. Die Seleukiden waren eine mächtige Königsdynastie, die direkt von einem der Generäle des Mazedoniers Alexander abstammten, und sie waren jahrhundertelang die Herrscher von Syrien.«
»Der Mazedonier Alexander … meinst du Alexander den Großen?«
»Aye. Was weißt du von ihm?«
»Er war Grieche, und er hat ungefähr dreihundert Jahre vor der Geburt Christi die Welt regiert.«
»Aye, er war Grieche – genau wie seine Generäle, die nach seinem Tod sein Reich unter sich aufgeteilt haben. Mazedonier bis zum letzten Mann … Hellenen. Einer von ihnen war Ptolemäus, der Ägypten übernommen hat und der Begründer der Dynastie war, der auch Kleopatra entstammte; ein weiterer war Seleukus, dessen Nachkommen jahrhundertelang in Sizilien und Kleinasien geherrscht haben und durch ihre Vermischung mit den Arabern ein neues Volk gegründet haben. Sie brachten schließlich einen Mann namens Herodes hervor – der sich selbst ›der Große‹ nannte und sich nach seiner Heirat mit der letzten Makkabäerprinzessin Miriam selbst zum König der Juden machte. Dann hat er den Rest der Makkabäer ausgelöscht und seine eigene Brut in die Welt gesetzt – darunter auch Herodes Antipas, den Tetrarchen von Galiläa. Seine Sippe nannte sich die Herodianer, und die Juden – vor allem die fanatischen Zeloten – verachteten sie allesamt als unreine, nichtjüdische Rasse. Doch die größte Sünde, die Herodes in den Augen der Juden beging, war, die makkabäischen Tempelpriester durch seine eigenen Priester zu ersetzen – die Pharisäer. Das war für die gläubigen Juden die schlimmste Gotteslästerung, eine Entweihung des Tempels durch unreine, falsche Priester …«
William hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen, dann sprach er weiter.
»Es wird dir leichter fallen, das zu verstehen, Neffe, wenn du dir eines vor Augen führst: Ein falscher Priester, der einen Tempel entweiht, mag für
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