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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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wechselten, um von Tisch zu Tisch zu gehen, ihre Freunde zu begrüßen und Wetten auf die bevorstehenden Schaukämpfe abzuschließen – und der Aufbruch der Ritter ging darin unter.
    So entspannte sich Hugh ein wenig und atmete freier, bis ihm dämmerte, dass die Zeit seiner eigenen Prüfung rasch näherkam.
    Es war sein Vetter Godfrey St. Omer, der schließlich aufstand und mit den Fingern schnippte, um Hugh auf sich aufmerksam zu machen. Sekunden später befanden sie sich auf dem Weg in die Eingeweide der Burg, während das Lärmen des Bankettsaals hinter ihnen verstummte.
    Godfrey, der normalerweise ohne Unterlass redete, war diesmal ein schweigsamer Begleiter, und er führte Hugh zügig durch die Vorräume des geheimen Versammlungsbereiches, bis sie in dem achteckigen Vestibül mit den identischen Türen standen. Er pochte mit dem Dolchknauf an eine der Türen, die daraufhin aufschwang. Er trat zielstrebig vor und flüsterte der Wache etwas zu, dann winkten beide Männer Hugh zu sich.
    Er trat vor, und sie fragten ihn gemeinsam nach dem Losungswort. Er unterdrückte das Bedürfnis, über ihren jungenhaften Ernst zu lachen, als er das Wort wiederholte, und dann ließen sie ihn schweigend allein weitergehen. Er bahnte sich seinen Weg durch einen engen, dunklen, gewundenen Gang in einen kleinen Raum, der nur eine Laterne und eine Kniebank enthielt. Darauf lag eine schlichte Robe, die sich als das Gewand eines Bettelmönchs entpuppte.
    Wie man ihn angewiesen hatte, ließ Hugh seine eigene Kleidung zu Boden fallen und zog die zerschlissene Tunika an.
    Ärmlicher gekleidet als je zuvor in seinem Leben setzte er sich dann auf die nackte Bank und wartete ab, was als Nächstes kommen mochte.
3
    N
    ACHDEM MAN IHN in das Gemach gerufen hatte, nahm Hugh alles nur noch vage wahr. Er hatte keine Ahnung, wer der Bote war, der ihn holen kam, denn der Mann war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und jedes Erkennungsmerkmals beraubt. Der Gang, durch den er Hugh in das Gemach geführt hatte, war ebenso schwarz und nichtssagend gewesen. Kein einziger Lichtfunke hatte die Dunkelheit erhellt, und Hugh, der sich an den Ellbogen des Mannes klammerte und dicht an ihn gedrängt ihm mit extremer Vorsicht folgte, fragte sich, wie dieser überhaupt den Weg fand, ohne irgendwo anzustoßen.
    Erst später würde er entdecken, dass es gar nichts gab, woran man hätte stoßen können; dass es gar keinen Gang gab und die Kurven und Schlangenlinien einfach nur einer Spur gefolgt waren, die auf dem weiträumigen Boden eines schwarz gestrichenen Vorzimmers ausgelegt war. Sein Führer hatte sich einfach mit einer Hand an einer schwarzen Seidenschnur orientiert, die ihn auf sein Ziel zuführte, das angrenzende, größere Gemach.
    Dass sie das Ende des Weges erreicht hatten, erkannte Hugh, als sie durch eine unsichtbare Tür in ein anderes Gemach traten, denn dort herrschte zwar genauso tiefe Stille, doch fühlte sich der Raum anders an, nach geräumiger Luftigkeit – ein Eindruck, den er hinnahm, ohne seine Logik zu hinterfragen.
    Im selben Moment blieb sein Führer abrupt stehen, sodass Hugh gegen ihn prallte und sie beide beinahe aus dem Gleichgewicht geraten wären. Während er wieder Haltung annahm und gleichzeitig die Luft anhielt, um vielleicht etwas zu hören, glomm hoch über ihnen ein schwacher Lichtschein auf, der nun zunahm, bis er die dunkle Kammer in ein geheimnisvolles Leuchten tauchte.
    Hugh wagte es nicht, den Kopf zu bewegen, um sich umzusehen, denn das hatte er bei seinem letzten Aufenthalt an diesem Ort schon einmal getan – und mit Schmerzen für seine Unbedachtheit bezahlt, denn sein Führer hatte ihn mit einer Art Sporn in die Seite gestochen, bis es blutete.
    Diesmal versuchte er nur angestrengt, so viel wie möglich zu sehen und zu hören.
    Es waren Menschen hier, das wusste er. Er konnte spüren, dass sie dicht bei ihm saßen oder standen. Auch das kannte er schon. Doch diesmal fühlte es sich an, als seien es weitaus mehr Menschen als bei den letzten beiden Malen. Da ihm seine Sinne nicht weiterhalfen, war es ihm nicht möglich, genau einzuschätzen, wie viele – oder wenige – Menschen ihn umgaben.
    Er biss die Zähne zusammen, spreizte die Finger und zwang sich durchzuatmen, um zur Ruhe zu kommen, fest entschlossen, sich von der Strömung der zukünftigen Ereignisse tragen zu lassen.
    Dies, so dachte er irgendwann, war die schwierigste Aufgabe, die er je gelöst hatte, denn seine gesamte Erziehung und Ausbildung

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