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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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verstehen. Wir folgen dir überallhin, das weißt du genau. Aber wir würden es noch lieber tun, wenn wir wüssten, warum du uns dort hinführst.«
    »Payn hat Recht, Hugh.« Godfrey nickte ernst. »Wir wissen beide nicht, was wir glauben sollen. Aber wir glauben beide, dass du weißt, was richtig ist. Und wir werden dir glauben, wenn du es uns sagst.«
    Schon als Godfrey diese erstaunliche Bitte geäußert hatte, hatte Hugh seine lässige Haltung aufgegeben. Nun saß er aufrecht und bleich da und sah seine Freunde mit großen, reglosen Augen an. Er begann zu sprechen, doch obwohl sich sein Mund öffnete und sich seine Lippen bewegten, kam nichts heraus. Er richtete sich umständlich auf, und sein Gesicht wurde noch blasser als zuvor, sofern das möglich war. Godfrey sah ihn stirnrunzelnd an, und als er den Gesichtsausdruck seines Freundes sah, warf er Payn einen sorgenvollen Blick zu, bevor er weitersprach.
    »Hugh, wir wollen ja nicht, dass du sündigst oder Verrat begehst. Die Sache liegt auf der Hand. Du bist derjenige von uns dreien, der das meiste über diese Dinge weiß. Alles, worum wir dich bitten, ist, uns zu sagen, was du denkst und glaubst, basierend auf den Dingen, die du seit deinem Eintritt in den Orden gelernt hast. Das ist alles.«
    »Das ist alles?«
    Hughs Stimme klang ihm selber fremd in den Ohren, heiser und belegt.
    »Das ist alles? Ihr bittet mich, euer Priester zu sein! Nicht euer Beichtvater, der sich eure Sünden anhört, sondern euer geistlicher Führer, der euch den Weg zur Erlösung weist. Das kann ich nicht, Goff. Ich weiß doch nicht einmal, wo für mich selbst die Erlösung liegt.«
    »Das ist nicht wahr, Hugh.«
    Payns Tonfall war drängend.
    »Wir bitten dich doch nur, mit uns über das zu sprechen, was du für die Wahrheit hältst. Wir glauben den Männern innerhalb des Ordens, und wir glauben das, was sie uns sagen. Aber sobald wir die rituellen Gemächer verlassen, verstehen wir es nicht mehr. Der Orden ist eine geheime Welt, Hugh. Hier draußen in der Realität, unter Menschen, die dem Orden nicht angehören, wissen wir nicht, wem wir vertrauen sollen … wem wir glauben sollen.«
    Hugh de Payens stand mit dem Rücken zur sinkenden Sonne auf der Wiese und sah seine beiden Freunde mit neuen Augen, sah den Zweifel, die Verwirrung und das Elend in ihren Gesichtern. Lange stand er wie gebannt da und blickte mit zusammengekniffenen Augen vom einen zum anderen, während er sich die Gedanken, die ihre Worte ausgelöst hatten, durch den Kopf gehen ließ.
    Schließlich nickte er abrupt und atmete durch die Nase aus.
    »Ich muss ein Stück laufen«, sagte er. »Ich kann hier im Stehen nicht denken. Kommt mit, dann sehen wir ja, was mir einfällt.«
    Eine Weile später blieb er am Rand eines sprudelnden Bächleins stehen, und sein Blick suchte die stillen Sammelbecken in Ufernähe nach Forellen ab.
    »Ihr habt mich gefragt, woran ich glaube, aber ich habe es so verstanden, als hättet ihr mich gebeten, euch die Wahrheit zu sagen. Deshalb war ich anfangs so aufgebracht … weil ich die Wahrheit nicht kenne. Ich glaube zwar, dass ich sie kenne, weil sie in meinem Glauben verankert ist. Aber das ist etwas anderes als zu sagen, ich kenne die Wahrheit. Denn es ist möglich, dass alles, was ich glaube, völlig falsch ist.«
    Jetzt wandte er sich vom Wasser ab und sah seine beiden Freunde nacheinander an.
    »Ich werde euch also sagen, was ich glaube … zumindest einiges davon … vielleicht sogar das meiste. Aber ich möchte auf keinen Fall und unter keinen Umständen, dass einer von euch denkt, dass ich das, was ich euch sage, für die Wahrheit halte. Versteht ihr mich? Ich sage euch nicht die Wahrheit, denn so wahr Gott mein Zeuge ist, ich weiß nicht, was die Wahrheit ist oder wo sie zu finden ist …«
    Er wartete, bis beide Freunde zustimmend genickt hatten, dann wandte er sich ab und ging weiter, ohne sich umzusehen. Er konnte jedoch hören, dass sie ihm folgten.
    »Ich glaube an Jesus«, begann er. »Ich glaube, dass er gelebt hat und gekreuzigt worden ist. Aber ich glaube nicht mehr, dass er der leibliche Sohn Gottes war. Ich glaube, dass er wegen seiner politischen Umtriebe gegen die Römer und ihre Verbündeten gekreuzigt wurde – gegen Herodes und seinen Clan. Ich glaube, dass er für eine freie und geeinte jüdische Nation gekämpft hat, frei von fremden Besatzungsmächten, frei, ihren Gott auf ihre Weise zu verehren. Ich glaube außerdem – nicht, weil der Orden es mir befohlen

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