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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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hat, sondern weil er mich durch handfeste Beweise davon überzeugt hat –, dass Jesus ein Mitglied der Priestersekte der Essener war, die auch unter dem Namen Nazoräer bekannt war. Sie bildeten eine Gemeinschaft, die die Gemeinschaft von Jerusalem hieß, eine Bruderschaft, die wir heute als Mönche bezeichnen würden – eine Gemeinschaft hingebungsvoller Seelen, die in freiwilliger Armut lebten, Keuschheit und Selbstverleugnung praktizierten und danach strebten, vor den Augen Gottes würdig zu sein, eines strengen, rachsüchtigen Gottes, mit dem sie ein Pakt verband, ein Versprechen, ihr Leben streng an seinen Erwartungen zu orientieren. Habt ihr dazu irgendwelche Fragen?«
    Er ging schweigend weiter und wartete, doch als es hinter ihm still blieb, fuhr er fort.
    »Ich glaube, dass Jesus gekreuzigt worden ist und gestorben ist. Nach seinem Tod hat sein Bruder Jakob, den man Jakob der Gerechte nannte, die Gemeinschaft bis zu seinem Tod weiter angeführt. Jakob wurde auf den Stufen des Tempels ermordet, und sein Tod hat weit mehr als der Tod seines Bruders Jesus zu Unruhe und Rebellion und schließlich direkt zum letzten Krieg der Juden gegen Rom geführt, in dessen Folge Titus die jüdische Nation vernichtet hat und die wenigen Überlebenden auf der ganzen Erde verstreut wurden.«
    Er blieb abrupt stehen und machte auf dem Absatz kehrt, um seine Freunde anzusehen.
    »Das ist es, was ich glaube, und nichts davon sollte euch überraschen, denn ihr habt das alles schon selbst von euren Gönnern und Tutoren gehört. Der Orden besitzt Beweise dafür, aber es ist möglich, dass nicht alles stimmt … oder dass alles falsch ist, weil die richtige Deutung im Lauf der Jahrhunderte nach der Flucht unserer Familien aus Jerusalem und ihrer Ankunft hier verloren gegangen ist. Doch ich persönlich glaube es mit Herz und Verstand. Aber nun kommt der schwierige Teil, der euch so viel Kummer bereitet …«
    Er wandte sich wieder ab und ging weiter, diesmal langsamer, und seine Kameraden gingen mit gesenkten Köpfen neben ihm her.
    »Unsere Familien … alle, die nicht zur Bruderschaft des Ordens gehören, sind Christen. Das ist es, was unsere Situation so schwierig macht. Denn ich glaube ebenfalls, dass die heutige christliche Kirche auf einem Mythos basiert, den der Mann namens Paulus ins Leben gerufen hat. Paulus war ein Heide, das wissen wir. Aber niemand weiß heute mehr, was das wirklich bedeutete. Weißt du es, Goff?«
    Godfrey zog die Nase kraus und schüttelte den Kopf, und Hugh nickte lächelnd.
    »Nun, jeder, der kein Jude war, galt als Heide, und das war alles, was für die Juden zählte. Ich glaube, dass Paulus ein Freund der Römer war, ein Spion, der vom Imperium bezahlt wurde, und dass er ein Opportunist erster Güte war. Er ist Jesus nie begegnet – obwohl er seinen Bruder Jakob kannte, der ihm misstraute. Ich glaube hundertprozentig daran, dass Paulus irgendwie von der Weihezeremonie der Essenergemeinschaft erfahren hat. Es ist unmöglich, dass er sie selbst mit angesehen hat, denn die Essener übten ihre Riten im Verborgenen aus, und Paulus war in zweifacher Hinsicht Außenseiter – als Heide und Nichtinitiierter. Ich glaube jedoch, dass er mit großer Sicherheit davon gehört hat und alles, was er gehört hat, missverstanden hat, bis auf das Wichtigste … den Kern des Rituals. Er hat die Idee der Wiederauferstehung gestohlen, die seit Jahrhunderten von weisen Männern im Verborgenen zelebriert wurde, und seine falsche Auffassung davon als Fundament für ein Gedankengebäude benutzt, das heute die Welt regiert, in der wir alle leben. Nach einer Weile hat er sogar einen Namen dafür erfunden. Er hat es Christentum genannt, nach dem griechischen Namen, den er sich irgendwann für Jesus ausgedacht hat – Christus .«
    Hugh holte tief Luft, bevor er fortfuhr.
    »Als ihm der Erfolg seiner Botschaft klar wurde und er sehen konnte, wie weit er damit gehen konnte, befreite er seine Grundidee von allen jüdischen Zügen, die den Römern hätten missfallen können. Er hat seine neue Religion sehr geschickt so eingerichtet, dass sie dem römischen Geschmack, der römischen Tradition und dem römischen Aberglauben Rechnung trug – und die beliebtesten Mythen und Götter Roms, Griechenlands und Ägyptens mit eingebaut. Das Element der jungfräulichen Geburt hat er beispielsweise aus mehreren Quellen. Der römische Soldatengott Mithras wurde in einem Stall geboren, und seine Mutter war Jungfrau. Und Horus, der Göttersohn

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