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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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unserer Art. Sie sehen uns – und das ist nicht übertrieben – als Kinder, die allen grauen Haaren und Falten zum Trotz niemals erwachsen werden.«
    Das Lächeln wurde breiter.
    »Hier ist die Wahrheit, meine Herren, und ob sie euch gefällt oder nicht, ihr könnt nichts daran ändern: Nur wenige Männer in unserer Bruderschaft sind mit dummen Frauen verheiratet, weniger noch mit Frauen, die nicht aus befreundeten Familien stammen. Und gemäß der Überlieferung unseres uralten Ordens halten die befreundeten Familien seit fünfzig Generationen Zusammenkünfte ab. Fünfzig Generationen , meine jungen Freunde, nicht fünfzig Jahre. Kann einer von euch wirklich glauben, dass unsere Frauen, unsere Gattinnen und Mütter, die ganze Zeit blind gewesen sind und nicht gemerkt haben, dass ihre Männer an etwas beteiligt sind, wozu sie keinen Zugang haben? Sie wissen alles über die Diskretion, die unser Tun umgibt, und über all die Hingabe und Mühe bei der Durchführung der Zusammenkünfte. Sie sehen die Veränderungen im Leben ihrer Söhne, wenn sich diese dem achtzehnten Lebensjahr nähern – auch wenn sie nicht daran beteiligt sind. Ein Mann, der glaubt, dass er das Tun und Lassen seines Sohnes vollständig vor seiner Mutter geheim halten kann, ist ein Dummkopf. Doch sie wissen gleichzeitig das Wichtigste, dass dies nämlich Männersache ist, egal worum es geht, dass es seit Urzeiten so ist und eine Frau keinen Platz dabei hat. Das wissen sie, und sie akzeptieren es – manche vielleicht bereitwilliger als andere, und es gibt immer die eine oder andere, die in ihrer Jugend mehr herauszufinden versucht, als sie wissen darf. Das geschieht allerdings zum Glück nur selten. Und irgendwann bringt unser unerschütterliches Schweigen sie alle davon ab, sodass sie sich mit der Realität abfinden.«
    Baron Hugo hob mahnend den Finger.
    »Doch ihr dürft nie in die Versuchung geraten zu glauben, dass sie nichts wissen. Das wäre die schlimmste Dummheit. Sie wissen Bescheid . Und wir wissen das, selbst wenn wir es untereinander nicht erwähnen. Doch sie halten ihr Wissen genauso geheim wie wir das unsere. Auch sie sprechen untereinander kaum darüber. Sie wissen zwar, dass es darum geht, etwas zu hüten, das uns seit Urzeiten anvertraut ist, und sie sind froh und sogar stolz darauf, dass ihre Männer, ihre Familien, dieser Aufgabe würdig sind. Und so vergrößert ihr geheimes Wissen nur unsere Kraft. Eure jungen Frauen begreifen das in diesem Moment, genau wie ihr es begreift. Und ihr werdet merken, dass sie nicht wieder davon sprechen werden.«
    Der Baron hielt inne und sah seine drei jungen Zuhörer an, dann lächelte er erneut.
    »Ich würde mich ja erkundigen, ob ihr irgendwelche Fragen habt, aber ich weiß, dass es dafür noch zu früh ist. Was ihr jetzt braucht, ist Zeit, über das nachzudenken, was ihr gerade gehört habt. Geht jetzt also und denkt nach.«
     
    »ICH HABE EINE FRAGE«, sagte Godfrey und richtete sich auf. Es war am späten Nachmittag desselben Tages, und die sinkende Sonne warf lange Schatten über das Gras der Wiese, auf der die drei jungen Männer seit einer Stunde an einen bemoosten Baumstamm gelehnt saßen. Sie waren tief in Gedanken versunken und sprachen kaum.
    Hugh, der am Boden lag, verdrehte den Kopf und blickte mit hochgezogener Augenbraue zu Godfrey auf.
    »An meinen Vater? Ich habe keine Ahnung, wo er gerade ist.«
    »Nein, nicht an deinen Vater, an dich. Du bist doch derjenige, der die Ordenslehre studiert …« Godfrey hatte die Stirn gerunzelt, und seine übliche Fröhlichkeit war wie weggewischt. Hugh verzog das Gesicht, doch dann nickte er und akzeptierte, dass es seinem Freund ernst war.
    »Dann frag mich. Ich bin zwar noch Anfänger, aber ich werde dir antworten, wenn ich es kann. Was willst du wissen?«
    Godfrey schwieg noch ein Weile mit gerunzelter Stirn – anscheinend überlegte er, wie er seine Frage am besten formulierte –, doch schließlich nickte er.
    »Nun gut. Was denkst du wirklich über all die Dinge, die wir gelernt haben?«
    Hugh blieb einige Momente reglos liegen und hielt die Augen geschlossen, dann öffnete er sie, stützte sich auf den Ellbogen und drehte den Kopf so, dass er Godfrey ansehen konnte.
    »Was soll denn diese Frage? Willst du wissen, was ich von allem halte, was wir seit unserer Geburt gelernt haben? Wenn es das ist, dann lass uns unsere Übungsschwerter holen und damit loslegen. Lieber einmal ordentlich ins Schwitzen kommen, als einen ganzen

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