Der Schatz des Blutes
Befestigungen an seinem Hals und schob sich die Kapuze des Kettenpanzers vom Kopf. Dankbar stellte er fest, dass er an den Rändern keine Risse ertasten konnte. Dann durchtränkte er ein letztes Mal sein Tuch und wischte sich damit über Gesicht, Kopf und Hände. Sein Schädel dröhnte schmerzhaft, wohl von dem Hieb, den er eingesteckt hatte, doch es war kein Blut an seinem Tuch, und auch ansonsten fühlte er sich erstaunlich gut, und alle Körperteile reagierten, als er sie zu bewegen versuchte.
Er spülte sich vorsichtig den Mund aus und spuckte den Kies auf den Boden, dann trank er einen Schluck Wasser, verschloss die Flasche, zog Kapuze und Helm wieder an und knotete die Verschlüsse an seinem Kinn wieder zu, bevor er sich erneut erhob. Er streckte die Arme aus, um das Gleichgewicht besser halten zu können, doch diesmal schwankte er nur einmal ganz sacht. Sein Schwert war an seinem Platz in seiner Scheide, doch sein Schild und Dolch waren nirgendwo in Sicht. Einen Moment lang sah er sich blinzelnd danach um, bevor er den vertrauten, bunt bemalten Griff seiner Streitkeule entdeckte. Deren Spitze steckte noch im Rückgrat des letzten Mannes, den er getroffen hatte, und er versuchte, sich nicht zu fragen, wer der Mann gewesen war, während er an der Waffe zerrte, bis sie sich geräuschvoll löste. Er warf einen Blick auf die verklebte Spitze, dann hieb er sie in den Boden, um sie von den schlimmsten Resten zu befreien, und sah sich weiter nach seinem Dolch um.
Doch ihm wurde klar, dass dieser überall sein konnte, irgendwo unter einer der zahllosen Leichen begraben. Also gab er die Suche auf und zog stattdessen sein langes Schwert. Die Streitkeule fest mit der Linken umklammert und das Schwert in der Rechten, setzte sich Hugh de Payens in Bewegung, um endlich die Stadt Jerusalem zu betreten.
ER TRUG BEIDE WAFFEN den ganzen Tag einsatzbereit, geriet aber zu keinem Zeitpunkt in Versuchung, sie zu benutzen – außer gegen seine eigenen Leute, die er mehrfach dabei antraf, wie sie Grausamkeiten unter Menschen anrichteten, die selbst mit der allergrößten Fantasie nicht an der Verteidigung Jerusalems beteiligt gewesen sein konnten – alte und junge Frauen, darunter auch Schwangere, und hilflose, verängstigte Kinder.
Nachdem er endlos durch die gefallene Stadt gewandert war, verließ er sie gegen Abend durch das Damaszener Tor. Er kam an St. Omer und Montdidier vorbei, ohne sich jedoch anmerken zu lassen, dass er sie erkannte, oder auf ihre Rufe zu reagieren. Das verwunderte seine beiden Freunde zwar, doch sie kannten ihn gut genug, um zu wissen, dass sie sich keinen Dank einhandeln würden, wenn sie ihn bedrängten. Daher blieben sie Seite an Seite stehen und sahen ihm in der zunehmenden Dämmerung nach. Sie gingen davon aus, dass er in ihr Lager zurückkehren würde, doch sie irrten sich.
Der getreue Arlo, der den ganzen Tag panisch nach seinem Freund und Herrn gesucht hatte, blieb die ganze Nacht auf und wartete auf seine Rückkehr, doch es sollten Wochen vergehen, bevor Hugh de Payens wieder gesehen wurde. Bis dahin glaubte jedermann, einschließlich seiner drei engsten Freunde, dass er tot war.
Arlo wurde in dieser Zeit hager und verhärmt, denn er war der einzige der verbleibenden drei Freunde, der Zeit hatte, sich Gedanken über den Verlust Hughs zu machen und sich zu fragen, was ihm wohl zugestoßen war. Graf Raymond sorgte dafür, dass Godfrey und Payn ohne Unterlass beschäftigt waren, denn ihm war sehr wohl bewusst, welche Auswirkungen der Verlust eines engen Freundes haben konnte. Arlo, der nun einmal von niederer Geburt war, blieb von dieser Fürsorge ausgeschlossen und war daher sich selbst überlassen.
Nachdem er sich drei Tage lang überall umgehört hatte, gelangte er zu der Überzeugung, dass Hugh unter die Räuber gefallen und umgebracht worden war, woraufhin man seine Leiche irgendwo versteckt hatte. Tagelang war er die ganze Stadt abgeschritten und hatte jede Straße, jedes leere Haus und jede Höhle nach einer Spur von der Leiche seines Herrn abgesucht, bevor das Tohuwabohu, das die Eroberung der Stadt hinterlassen hatte, beseitigt werden konnte, die verwesenden Leichen eingesammelt und verbrannt und die Straßen wieder begehbar gemacht werden konnten.
Diese erste Säuberung, eine gigantische Aufgabe, hatte jeden Waffenknecht und jeden arbeitsfähigen Gefangenen fünfzehn Tage härtester Arbeit gekostet. Doch der Gestank von Blut und Tod hing hartnäckig in den engen Winkeln der
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