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Der Schatz des Blutes

Der Schatz des Blutes

Titel: Der Schatz des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Whyte
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wird alles angestürmt kommen … Aber ich habe jedenfalls vor, an der Spitze der ersten Truppe zu stehen, die durch diese Lücke vorstößt. Formieren wir uns also und sehen wir zu, dass uns niemand zuvorkommt.«
    Dicht aneinandergedrängt setzten sie sich langsam in Marsch, Hugh in der Mitte, Godfrey zu seiner Rechten und Payn, der von Natur aus Linkshänder war, zu seiner Linken. Einen Schritt hinter ihnen folgte Arlo mit der Standarte Baron Hugo de Payens’, das Gesicht ausdruckslos und die Augen in ständiger Bewegung, obwohl er wusste, dass die einzige Gefahr, die ihnen im Moment drohte, die fliegenden Splitter waren.
    Es war Freitag, der fünfzehnte Juli 1099. Die enorme Artilleriemaschine, die die Franken gebaut hatten, schleuderte schon seit Tagen große Steine gegen die Mauern der Stadt. Doch genau an dieser Stelle wurde die Wirkung jetzt mit jedem Geschoss, das die bröckelnde Mauerfassade traf, sichtbarer.
    Vor drei Tagen hatte man dieses Mauerstück als die schwächste Stelle auf dieser Seite der Stadt ausgemacht. Drei der gewaltigsten Belagerungsmaschinen, die je gebaut worden waren, waren hierhergebracht und so positioniert worden, dass ihre Geschosse alle dieselbe Stelle trafen. Die kleinsten Steine, die sie schleuderten, hatten die Größe eines kräftigen Mannes, und die größeren die eines Pferdes, sodass es eine wahre Schinderei war, die Katapulte zu laden. Sobald sie positioniert waren, hatten sie mit dem unablässigen Beschuss der Mauer begonnen – und jede Minute hatte ein massiver Steinbrocken den schwächsten Punkt der Mauer getroffen.
    Antiochia, dessen Gräuel jetzt ein Jahr zurücklagen, hatte einer Belagerung durch viertausend Ritter und dreißigtausend Fußsoldaten acht Monate lang standgehalten. Jetzt war Jerusalem im Begriff, nach nur sechs Wochen zu fallen, unter dem Ansturm einer Frankenarmee, die nur noch weniger als ein Drittel der Männer zählte, die Antiochia erobert hatten.
    Doch die Franken, die nun vor Jerusalem standen, waren eine Armee verhärteter, bitterer Veteranen, ein jeder ein Überlebender einer alptraumhaften Reise, die sie innerhalb eines halben Jahres von Antiochia hierhergeführt hatte. Auf dem ganzen Weg hatte ihnen der Hunger zu schaffen gemacht, und einige der Krieger mit dem wildem Blick waren sogar zu Kannibalen geworden und hatten das Fleisch der gefallenen Feinde gegessen, um zu überleben.
    Jerusalem, das Ende ihrer Odyssee und das Symbol all ihrer Träume, hatte nicht den Hauch einer Chance, sie durch bloße Mauern aufzuhalten. Nachdem sie auf dem Dreihundertfünfzig-Meilen-Marsch von Antiochia nach Süden über die Hälfte ihrer Armee verloren hatten und jeden Schritt kämpfend zurückgelegt hatten, hatte es unter den überlebenden Franken keinen Zweifel mehr daran gegeben, wie ihre rechtschaffene Sache enden würde. Die Heilige Stadt gehörte ihnen. Gott wollte es so.
    Einige Zeit später an diesem Morgen – vielleicht eine Stunde, vielleicht sogar weniger, denn niemand hatte mehr das geringste Zeitgefühl – befanden sich Hugh und seine drei Gefährten gefährlich dicht vor der Mauer, nicht nur den tödlichen Splittern preisgegeben, die die massiven Steinprojektile aus den Katapulten auslösten, sondern ebenso der – wenn auch geringeren – Gefahr durch die Pfeile, die die Verteidiger von den Mauern rechts und links der beschossenen Stelle niederregnen ließen.
    Sie hielten sich dicht beieinander, die Knie gebeugt und die Schilde hoch erhoben, doch ihre größte Sorge war es, überholt zu werden. Denn in der Zeitspanne, seit Hugh seinen Boten zum Grafen geschickt hatte, hatte sich eine ganze Reihe wachsamer Krieger vor den Mauern gesammelt, um den Schaden zu begutachten und den ersten vollständigen Durchbruch abzuwarten.
    Bis jetzt hatte das Quartett aus Payens seine Spitzenposition gehalten, und es hatte absolut nicht vor, diese aufzugeben, es sei denn, Graf Raymond zeigte Interesse daran, sich ihnen anzuschließen.
    »Da ist er ja«, grunzte Payn, nachdem er sich umgesehen hatte, um sicherzugehen, dass ihnen keine andere Gruppe zu nahe kam.
    »Graf Raymond und –«, er sah sich noch einmal nach dem Gefolge des Grafen um, das sich hinter ihnen den Weg durch die Menge bahnte, und zählte nach. »Sechs, nein, sieben Ritter. De Passy ist bei ihm und de Vitrebon. Ich weiß nicht –«
    Die folgenden Worte gingen im donnernden Krachen fallender Mauerbrocken unter, und vor ihnen quoll der Staub auf wie Rauch. Die Mauern waren nicht mehr zu sehen,

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