Der Schatz des Dschingis Khan
prächtiges Pferd finden, das so braun ist wie der Steppenboden im Winter und den Glanz der Sonne in seinen Mähnenhaaren trägt. Ein stolzes Pferd ist es, größer und schöner als alle Pferde in der Steppe. Ein Pferd, geschaffen, um den größten und mächtigsten aller Mongolen zu tragen. Es ist ein Geschenk der Götter an ihn, aus Dankbarkeit dafür, dass es ihm gelang, das Steppenvolk zu einen. Und du, Ojuna, bist auserkoren, es zu ihm zu bringen. Säume nicht. Mach dich sofort auf den Weg. Der Große Khan muss das Pferd erhalten, ehe er in den Krieg gegen die Tanguten zieht.‹«
»Warum haben die Götter das Pferd dem Großen Khan nicht selbst übergeben?«, fragte Görkhan.
»Sie werden ihre Gründe haben«, antwortete sein Vater. »Es steht uns nicht zu, ihre Entscheidungen infrage zu stellen.« Damit wandte er sich wieder an Muriel und fragte: »Was geschah dann?«
»Ich bin aufgewacht«, sagte Muriel, die Görkhans Zwischenfrage genutzt hatte, um den Erzählfaden in Gedanken weiterzuspinnen. »Natürlich habe ich nicht wirklich daran geglaubt, dass an dem Traum etwas Wahres dran sein könnte. Aber ich war neugierig, ich bin aufgestanden und mitten in der Nacht auf die Weide gegangen, um nachzusehen, ob dort wirklich ein Pferd steht.«
»Und?«, fragte Nara, die den Blick nicht von Muriel abwenden konnte. »War es da?«
»Nara, du dumme Sogoo*.« Toja lachte. »Was glaubst denn du, wie Ojuna hierhergekommen ist?«
»Und was denkst du, für wen ich die Decken nach draußen gebracht habe?«, fügte Görkhan hinzu.
Nara überlegte. »Für das schöne Pferd?«, fragte sie.
»Genau.« Görkhan grinste. »Nara, du bist wirklich klug.«
»Und das Pferd lässt sich von dir reiten?«, richtete Tojas Vater das Wort wieder an Muriel, ohne auf das Gezänk seiner Kinder einzugehen.
»Ja, aber nur von mir.« Muriel nickte. »Meine Brüder haben es versucht, aber es ließ sie nicht einmal aufsitzen. Da hat mein Vater entschieden, dass ich dem Willen Tengris Folge leisten muss.«
»Allein?«
»Warum nicht?« Muriel zuckte mit den Schultern. »Tengri hat mir den Auftrag gegeben und wacht über mich. Er hat mir unterwegs so manches Mal geholfen und mich in dem Schneesturm sicher zu eurem Zelt geführt. Ich vertraue ihm.«
»Das ist sehr mutig und sehr weise«, sagte eine der anderen Frauen. »Nicht glücklich wird, wer dem Willen der Götter zuwiderhandelt.«
»Dennoch ist es gefährlich«, gab Tojas Mutter zu bedenken und fügte mit einem Seitenblick auf ihre Tochter hinzu: »Ich wüsste nicht, ob ich Toja gehen lassen würde.«
»Meine Mutter war auch dagegen«, sagte Muriel schnell. Sie war froh, dass ihr die frei erfundene Geschichte so gut und glaubwürdig gelungen war, und fügte abschließend hinzu: »Sie träumte, dass mir etwas zustoßen würde. Aber sie hat meinem Vater nicht widersprochen.«
»So ist es recht.« Tojas Vater nickte bedächtig. »Auch wenn deine Familie nicht umherzieht, hätte deine Mutter dich nicht aufhalten dürfen. Unterwegs zu sein macht frei und Freiheit ist das Leben der Mongolen.«
»Aber du gehst doch zurück, oder?«, wollte Nara wissen, die noch zu klein war, um sich ein Leben ohne ihre Familie vorstellen zu können.
»Natürlich.« Muriel nickte, rieb sich mit den Händen die Augen und tat, als ob sie ein Gähnen unterdrücken müsste. Es wurde Zeit, das Gespräch zu beenden. Die Gefahr, dass sie sich in Widersprüche verwickelte oder etwas Falsches sagte, war einfach zu groß. Um Erschöpfung vorzutäuschen, musste sie sich nicht einmal groß anstrengen. Draußen war es dunkel geworden. Der Wind pfiff um das Ger und rüttelte am Gestänge. Die Flammen des Feuers warfen zuckende Schatten an die Zeltwände und die Wärme tat ein Übriges, um Muriel spüren zu lassen, wie sehr der Ritt durch den Schneesturm an ihren Kräften gezehrt hatte.
»Du musst müde sein, nach dem langen Ritt.« Tojas Mutter war ihr Gähnen nicht entgangen. »Möchtest du dich schlafen legen?«
Muriel nickte und gähnte schon wieder.
»Du kannst bei mir schlafen«, bot Toja an, lächelte Muriel zu und fragte ihre Mutter: »Darf sie?«
»Wenn es ihr recht ist.« Tojas Mutter nickte. »Wir haben auf der Nordseite aber auch einen Schlafplatz für unsere Ehrengäste.«
»Ich schlafe gern bei Toja«, sagte Muriel schnell, die das freundliche Mädchen ins Herz geschlossen hatte und in der fremden Umgebung im Dunklen nicht allein sein wollte.
»Komm mit. Ich zeige dir deinen Schlafplatz.« Toja
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