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Der Schatz des Störtebeker

Der Schatz des Störtebeker

Titel: Der Schatz des Störtebeker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Gutberiet
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Altere mit ausgeprägtem hamburgischen Akzent.
    Der Jüngere nestelte an seinem Knüppel herum. Im Gegensatz zu seinem Kollegen trug er Handschuhe.
    »Ihr Kumpel ist ein bisschen nervös, was?«, sagte Link.
    »Ach was, nu lass uns man wie erwachsene Menschen miteinander sprechen«, sagte der Ältere.
    Link blieb stehen. »Na gut.«
    »Brav«, sagte der junge Beamte.
    Link warf ihm einen finsteren Blick zu.
    »Lass das«, sagte der Altere und dann, an Link gewandt: »Dürfen wir reinkommen?«
    Link zog die Schultern hoch: »Wo denn rein?«
    »Sie wissen schon, was wir meinen. An Bord. Es ist ein bisschen zu frisch hier draußen, um ein vernünftiges Gespräch zu führen.«
    Link schüttelte Arme und Beine aus und seufzte. »Meinetwegen.«
    Sie stapften zwischen den hohen welken Grashalmen hindurch zu der eisernen Treppe, die zum Anleger nach unten führte. »Betreten verboten« und »Kein Winterdienst bei Schnee und Glätte« warnten zwei Schilder des Wirtschaftsamts.
    Link ging voran die Eisentreppe hinunter. Die Holzplanken des Anlegers waren glitschig. Hinter sich hörte er den jungen Beamten fluchen. Er war ausgerutscht.
    »Passen Sie auf, ein paar Bretter sind lose und morsch«, sagte Link.
    Der Anleger war schon lange außer Betrieb, nur ein einziges Wasserfahrzeug war hier noch festgemacht. Kein Ewer, kein Kutter, keine Barkasse, sondern ein Hausboot. Eine von diesen mobilen stählernen Bauhütten, mit denen sich normalerweise die Hafenbauarbeiter von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz begaben. Die Hütte stand auf einer eisernen Schute, die von einem anderen Boot gezogen werden musste, weil sie keinen Motor besaß.
    Bevor Link das ausgemusterte Hausboot bezogen hatte, hatte er ihm einen neuen Anstrich verpasst. Obwohl es ganz aus Metall gebaut war, sah es nun aus wie ein skandinavisches Holzhaus, mit roten Wänden, blauem Dach, gelber Tür und gelben Fensterläden. Die Schute selbst war schwarz geblieben, aber an keiner Stelle sah man Beulen oder Rost. Link pflegte sein Eigenheim. Im Grasbrookhafen hatte er letzten Herbst festgemacht, nachdem man ihn aus einem winzigen Hafenbecken nahe der Großmarkthalle vertrieben hatte. Er hatte schon eine ganze Weile dort gearbeitet, als er auf das Hausboot gestoßen war, das in dem kleinen Becken vor sich hinrostete. Nachdem er eine Angestellte der HHLA mit einer Kiste wertvoller Orchideen bestochen hatte, war er für den Preis eines halben Monatslohns Besitzer der rostigen Schute geworden. Er hatte das Hausboot ausgebessert, bunt angestrichen und mit selbst gefertigten Möbeln eingerichtet, seine Ladenwohnung im Karolinenviertel gekündigt und war in den Freihafen gezogen.
    Von da an hatte er mit dem Oberhafen das spannendste Joggingterrain der Stadt, und er brauchte nur noch zwei Minuten bis zu seinem Arbeitsplatz. Aber dann hatte ihn der holländische Blumenimporteur entlassen, und der HHLA-Angestellten waren die Orchideen eingegangen, woraufhin sie sich an die Schute erinnerte, die widerrechtlich in dem kleinen Hafenbecken lag. Sein Freund Bernhard Nissen hatte ihn dann mit seinem Hochsee-Ewer »Roter Teufel« aus dem Oberhafen geschleppt und durch den Magdeburger Hafen und die Norderelbe in den leeren Grasbrookhafen bugsiert. Das war an klaren Tagen der schönste und ruhigste Platz im ganzen Hafen, und zum Joggen fand sich auch eine hervorragende Strecke.
    Link hatte eine Menge Pläne geschmiedet, wie seine Zukunft in dieser neuen Umgebung aussehen könnte. Seine Lieblingsidee war, in der ehemaligen Cellpap-Halle ein Konzert für neunundneunzig Tischtennistische und neunundneunzig Tischtennisbälle zu organisieren, gespielt von hundertachtundneunzig Spielern, eine monumentale polyrhythmische Klickerklacker-Symphonie in Anlehnung an John Cage und Steve Reich. Alternativ dazu träumte er davon, im Sommer den riesigen freien Platz vor der Halle, der nur gelegentlich als Kreuzfahrt-Terminal genutzt wurde, als eine Art »Technomania Golfpark« zu nutzen, einen Nightlife-Golfplatz, der von Loch zu Loch in kontrastierende akustische und optische Reizzonen aufgeteilt werden sollte. Der Regierungswechsel und der damit einhergehende Wechsel an der Spitze der Kulturbehörde hatten seine Pläne, die zunächst auf Interesse gestoßen waren, hinfällig werden lassen.
    Und nun hatte er es auch noch mit zwei missgelaunten Vertretern der Innenbehörde zu tun. Er hielt ihnen die Eisentür auf und dirigierte sie in die Ecke des Hausboots, in der er Elemente einer halben Ikea-Einbauküche

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