Der Schatz des Störtebeker
gefallen.
Bernhard Nissen und der »Rote Teufel« waren gegen halb zwei gekommen. Der Wind hatte aufgefrischt, und die Elbe war unruhig geworden. Hinzu kamen zwei Containerschiffe, die sie auf ihrer Flucht aus dem Grasbrookhafen passierten. Der Wellengang hatte Link zweimal zu Boden geworfen und mit ihm diverse Möbelstücke. Na ja, wenn man vom Teufel abgeschleppt wird, kann man fluchen, so viel man will, es hilft alles nichts.
Nissen, ein Neo-Hippie mit blondem Pferdeschwanz in Wildlederhosen, Schaftstiefeln und schwarzem Ledermantel war nicht gerade erfreut darüber, dass er Link schon wieder aus der Bredouille helfen sollte.
»Ich muss mein Schiff auf Vordermann bringen. Bald fängt das Frühjahr an, und ich bin für den Törn bis Spanien voll ausgebucht. Meine Hilfsmatrosen haben gekniffen, jetzt muss ich alles allein machen…«
Nissens »Hilfsmatrosen« waren zwei Lesben aus dem autonomen Milieu, die eine Beziehungskrise durchlebten und deshalb arbeitsunfähig geworden waren.
»… und nun kommst du mir auch noch mit so was. Wo soll ich dich denn hinschleppen?«
»Ich dachte, du hättest vielleicht einen Vorschlag.«
»Im Sandtorhafen…«
»Da haben sie mich gleich wieder am Wickel.«
»Im Baakenhafen…«
»Auch zu unsicher.«
»Zurück in den Oberhafen also.«
»Da hat dieser fiese Typ von der HHLA was dagegen.«
»Dann weiß ich auch nicht weiter. Versenk deinen Kahn und heuer bei mir an. Käpt’n Nissen ist ein guter Arbeitgeber. Freie Kost und Logis, Taschengeld und spanische Sonne!«
»Nee danke, du weißt doch, dass ich nicht so gern unterwegs bin.«
»Du lebst in einem mobilen Heim und bist nicht gern unterwegs?«
»So wie’s aussieht, bin ich ständig hier im Hafen unterwegs.«
»Also mach’s kurz, Link: Wo willst du hin?«
»Ich dachte, du könntest mich für eine Weile in deinem Verein unterbringen.«
»Im Museumshafen? Keine Chance. Du weißt doch, wie die sind. Nur historische Schiffe im Originalzustand.«
»Ich bau um, ich zieh einen Blaumann an, ich geb mich als Hafenarbeiter aus, ich streich mein schönes buntes Heim wieder in graublauer Tarnfarbe an.«
»Du scheinst ja ein echtes Problem zu haben.«
»Wir könnten deinen Kumpels ja weismachen, dass ich mein Boot verkaufen will.«
»Der Verein kauft nichts, Link. Die haben kein Geld.«
»Ich will’s ihnen schenken, und sie sollen prüfen, ob das Geschenk historisch genug für ihren Museumshafen ist. Immerhin haben hier schon vor fünfzig Jahren original Hafenarbeiter Pausenbrote vertilgt und Doppelkopf gespielt. Im Sommer, wenn die Sonne drauf knallt, kann man ihren Schweiß noch riechen. Ich hab sogar die Spuren einer historischen Bierlache gesichert.«
»Hör auf mit dem Quatsch. Ich hab schon kapiert, was du meinst. Ich red mit ihnen.«
Einige Stunden später war er mit seinem Ewer angerückt und hatte Link die Schleppleine zugeworfen. Der Vorstand des Museumshafenvereins wollte das Hausboot und seine »Originaleinrichtung« irgendwann begutachten. Bis dahin hatte Link Zeit, entweder alles wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen oder sich zu überlegen, wohin er sich anschließend schleppen lassen wollte.
Zunächst aber wollte der Montagmorgen bewältigt werden. Link zog sich fröstelnd an und ging nach draußen, um die Fensterluken zu öffnen. Über der Elbe hing ein Schleier aus weißem Nebel, der mal dichter, mal dünner wurde. Über dem Hausboot ragte das Stahlgerüst des Dampfkrans »Saatsee« in den Nebel und sah, wie die Umrisse des Eisbrechers »Stettin«, kunstvoll retuschiert aus. Links Hausboot lag neben einer ausgemusterten Dampfbarkasse der Wasserschutzpolizei. Über die musste er klettern, wenn er zum Anleger kommen wollte.
Er warf einen Blick auf das Außenthermometer neben dem Eingang: plus zwei Grad Celsius. Luftfeuchtigkeit hundert Prozent. Genau das richtige Wetter, um Rheumadecken für die Stiftung Warentest auszuprobieren. Er drehte sich um und blickte die schemenhafte Fassade des Backsteinturms hinauf, der dort in den Himmel ragte. Die Insassen des in ein Luxus-Altenheim umgebauten ehemaligen Kühlhauses für Fleischimporte hatten bestimmt die Heizdecken angeknipst oder saßen bei dampfendem Kräutertee im Frühstücksraum, vielleicht auch, wie es sich für agile Rentner gehörte, in der Sauna, oder sie durchmaßen zielstrebig wie Seelöwen die Bahnen des heimeigenen Schwimmbads.
»He! Link Walther!«
Jetzt riefen sie ihn auch schon. Wollten ihn vielleicht zum Aufwärmen
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