Der Schatz im Silbersee
wohl zu würdigen, alter Frank. Ihr habt euer Leben für uns gewagt, und wir werden euch das nie vergessen.
Darauf kannst du dich verlassen. Aber, zieh dein Gewehr an dich! Es kann leicht gesehen werden. Und gieb dein Messer her, damit ich meinen Nachbar frei mache; der wird es dann weiterreichen.«
»Und nachher, wenn die Fesseln fort sind, was thun wir dann?
Erscht zu den Waffen, nachher zu den Pferden rennen, und dann fort?«
»Nein; wir bleiben.«
»Alle Teufel! Is das Ihr subhastierter Ernst? Da bleiben! Wird das von Ihnen Rettung genannt?«
»Ja.«
»Ich danke! Off diese Weise haben diese Kerle een remorquiertes Geschäft gemacht, denn wenn früh die liebe Sonne erscheint, beschimmert sie zwee Gefangene mehr als in der Mitternacht.«
»Wir werden nicht gefangen sein. Nach den Waffen und dann zu den Pferden laufen, das müßte so schnell geschehen, daß ein heilloser Wirrwarr entstehen würde. Keiner fände in dieser kurzen Zeit sein Gewehr und Messer, sein übriges Eigentum heraus. Die Roten wären über uns, ehe wir an die Pferde kommen könnten. Und wer weiß, ob dieselben noch gesattelt sind. Nein, wir müssen uns sofort hinter unsre Schilder verstecken.«
»Schilder? Ich bin keen Ritter Kunibold von Eulenschnabel; ich habe keenen Harnisch und ooch keen Schild. Und wenn Sie dieses Wort hektoetrisch gebrauchen, so bitte ich um ergebene Offklärung, was ich unter dem Schilde zu verschtehen habe.«
»Die Häuptlinge.«
»Ach, siehste, wie de bist! Das is freilich een großartiger Gedanke!«
»Nicht großartig, sondern sehr naheliegend. Wir setzen uns in den Besitz der Häuptlinge und sind dann sicher, daß uns nichts geschehen wird. Jetzt still. Das Feuer brennt wieder niedrig, und so werden die Wächter es wohl nicht sehen, wenn wir die Arme bewegen.«
Er durchschnitt seine Fesseln und that dasselbe dann bei seinem Nachbar. Dieser gab das Messer weiter. Dasjenige Drolls zirkulierte bereits. Dann ging Old Shatterhands Befehl leise von Mund zu Mund, daß alle zu den Häuptlingen zu eilen hätten, sobald von ihm das Feuer ausgelöscht worden sei.
»Das Feuer ausgelöscht?« brummte Frank. »Wie wollen Sie das fertig bringen?«
»Paß auf, so wirst du es sehen! Ausgelöscht muß es werden, sonst treffen uns die Kugeln der Wächter.«
Jetzt lagen alle bereit. Old Shatterhand wartete, bis der Mann am Feuer, welcher jetzt wieder dort saß, im Begriff stand, wieder Holz aufzulegen, wodurch die Flamme für kurze Zeit gedämpft wurde. Da sprang er auf, schnellte sich zu ihm hin, schlug ihm die Faust auf den Kopf und warf ihn in das Feuer.
Durch ein drei- oder viermaliges Hin- und Herwälzen des Körpers wurde dasselbe ausgelöscht. Das geschah so schnell, daß es finster war, ehe die Wächter den Vorgang recht begriffen. Sie stießen ihre Warnungsrufe zu spät aus, denn schon drangen die Gefangenen durch den Wald dem See entgegen. Old Shatterhand war allen voran; hinter ihm kamen Winnetou und Firehand.
Die Häuptlinge saßen noch immer beratend an ihrem Feuer. Es war eine hochwillkommene Aufgabe für sie, die denkbar fürchterlichsten Qualen, an denen die Weißen und der Apache sterben sollten, in Vorschlag zu bringen und zu besprechen. Da hörten sie zwar den Ruf der Wächter, aber zugleich sahen sie die Gestalten der Befreiten auf sich zukommen - einige Sekunden später waren sie zu Boden geworfen, entwaffnet und gebunden.
Die Weißen griffen nach ihren in der Nähe liegenden Gewehren, ungefragt, ob jeder sein eigenes erwische. Als die Wächter nun unter den letzten Bäumen erschienen, sahen sie ihre Anführer am Boden liegen, und daneben knieten einige Weiße mit gezückten Messern, augenblicklich bereit, die Häuptlinge zu erstechen. Hinter dieser Gruppe standen die andern mit angelegten Gewehren. Die Roten fuhren erschrocken zurück, um ein Wutgeheul auszustoßen, welches die übrigen schnell herbeirief.
Old Shatterhand durfte es nicht zum Angriff kommen lassen. Mit lauter Stimme verkündigte er den Tod der Häuptlinge, sobald man versuche, dieselben zu befreien. Er forderte, daß die Roten sich zurückziehen sollten, worauf er dann mit ihren Anführern in friedlicher Weise verhandeln werde.
Es war ein entscheidender Augenblick, ein Augenblick, an welchem Tod und Leben hing, und zwar nicht von wenigen, sondern von vielen. Die Indianer standen unter dem Schutze der Bäume; die Weißen waren vom Feuer hell beschienen, aber es war gar nicht zu zweifeln, daß beim ersten Schusse die drohenden
Weitere Kostenlose Bücher