Der Schatz im Silbersee
sich als ihre Pferde verwunden oder gar erschießen lassen. Übrigens waren zur Verteidigung dieses festen Platzes gar keine Reiter nötig.
Old Firehand teilte diese einst so stolzen und jetzt herabgekommenen Roten in zwei Trupps, der erste sollte auf der Farm bleiben, und der zweite sich unter der Anführung des Osagenhäuptlings an der Grenze gegen den Nachbar aufstellen, auf dessen Weiden sich die fortgetriebenen Herden befanden. Diese Leute hatten die Aufgabe, einen etwaigen Versuch der Tramps, dort einzufallen, zurückzuweisen. Um sie zur Aufmerksamkeit und Tapferkeit anzuspornen, wurde für jeden getöteten Tramp ein Preis ausgesetzt, dann bog der Häuptling mit dieser seiner Abteilung ab. Innerhalb der Mauer der Farm befanden sich nun einige über hundert Indianer, zwanzig Rafters und die sonst mit Namen genannten Jäger.
Der großen Zahl der Tramps gegenüber war das gewiß nicht viel; aber ein Jäger oder Rafter wog gewiß mehrere Tramps auf und der Schutz, welchen Mauer und Haus gewährten, war gewiß auch nicht gering anzuschlagen. Besondere Befehle konnten jetzt noch nicht erteilt werden, da man noch nicht wußte, in welcher Weise die Tramps ihren Angriff ausführen würden.
Nun konnte man nichts weiter thun, als die Ankunft derselben ruhig abwarten. Ein großes Glück war es zu nennen, daß Mistreß Butler der Gefahr mit ziemlicher Ruhe entgegenblickte.
Es fiel ihr nicht ein, ihre Leute durch Wehklagen zu verwirren; vielmehr ließ sie dieselben zu sich kommen und verhieß ihnen für ein treues und mutiges Verhalten eine entsprechende Belohnung. Das waren auch gegen zwanzig Knechte, welche ihre Waffen zu gebrauchen verstanden und auf die Old Firehand sicher rechnen konnte. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, saß Old Firehand mit der Dame und dem Engländer wieder oben. Er hatte das Riesenfernrohr des letzteren in der Hand und suchte fleißig denjenigen Teil des Horizontes ab, an welchem die Tramps erscheinen mußten.
Nach lange vergeblich angestrengter Aufmerksamkeit entdeckte er endlich an einer Stelle, welche mit dem unbewaffneten Auge unmöglich erreicht werden konnte, eine Menge Menschen und Pferde. Das waren gewiß die Tramps.
Bald sonderten sich von ihnen drei Gestalten ab, welche sich in der Richtung der Farm weiter bewegten, nicht zu Pferde, sondern zu Fuß.
»Ah, man schickt Kundschafter voraus!« sagte Old Firehand.
»Vielleicht sind sie gar so frech, Einlaß zu begehren.«
»Das wäre eine Kühnheit, die ich diesen Menschen nicht zutraue,« bemerkte der Lord.
»Warum nicht? Man schickt drei Kerls, welche hier niemand kennt, sie kommen unter irgend einem Vorwand herein, wer kann ihnen da etwas anhaben? Gehen wir hinab in den oberen Stock, damit sie uns nicht auf dem Dache sehen. Wir aber können sie von dem Fenster aus durch das Fernrohr beobachten.«
Die mitgebrachten Pferde befanden sich hinter dem Hause, so daß sie nicht gesehen werden konnten. Auch sämtliche Verteidiger mußten sich verstecken. Die drei Tramps sollten, falls sie auf den Hof kamen, der Ansicht werden, daß das Haus ohne hinreichende Bewachung sei.
Sie kamen langsam näher und Old Firehand bemerkte, daß einer den andern hob, damit dieser durch eine Schießscharte in den Hof blicken könne. Er erteilte schnell noch einige Befehle, welche er für nötig hielt, und begab sich dann in den Hof hinab.
Es wurde an der Glocke gezogen; er ging zum Thore und fragte nach dem Begehr.
»Ist der Farmer daheim?« fragte eine Stimme.
»Nein, er ist verreist,« antwortete er.
»Wir wollen um Arbeit anfragen. Wird kein Hirt oder Knecht gebraucht?«
»Nein.«
»Dann möchten wir wenigstens gern um einen Imbiß bitten. Wir kommen von weit her und haben Hunger. Bitte, laßt uns ein!«
Das wurde in einem sehr kläglichen Tone gesagt. Es gibt im ganzen Westen keinen Farmer, welcher einen Hungrigen von sich weist. Bei allen Naturvölkern, und in allen Gegenden, wo es keine Hotels und Gasthäuser gibt, wird dieser Mangel durch die schöne Sitte der Gastfreundschaft ausgeglichen, so auch im fernen Westen. Es wäre nicht nur grausam gegen den Bedürftigen sondern auf der andern Seite auch eine Schande für die Farm, vielmehr für den Besitzer, einen Fremden, welcher um Aufnahme bittet, dieselbe zu verweigern.
Die Leute wurden also eingelassen, und nachdem das Thor wieder verriegelt worden war, zu den Sitzen gewiesen, welche sich an der Seite des Hauses befanden. Dieses letztere schien aber nicht nach ihrer Absicht zu sein.
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