Der Schatz im Silbersee
Sie gaben sich zwar den Anschein der Unbefangenheit, doch konnte es nicht entgehen, daß sie das Haus und dessen Umgebung mit scharf
forschenden Blicken betrachteten, und sich dann gegenseitig in bezeichnender Weise anschauten. Der eine von ihnen sagte:
»Wir sind arme, geringe Leute, die nicht inkommodieren wollen.
Erlaubt, daß wir hier am Thore bleiben, wo wir überdies auch mehr Schatten haben als dort. Wir werden uns einen Tisch holen.«
Dieser Wunsch wurde ihnen erfüllt, obgleich er ein heimtückischer war, denn sie wollten am Thore bleiben, um dasselbe ihren Genossen zu öffnen. Sie trugen sich den Tisch und einige Sitze herbei, und dann wurde ihnen von einer Magd ein reichlicher Imbiß vorgesetzt. Nun war auf dieser Seite des Hofes kein Mensch zu sehen, da alle, selbst die Magd, sich zurückgezogen hatten.
Die angeblichen Arbeiter waren über diesen Umstand sehr befriedigt, wie Old Firehand scharfes Auge aus ihren Mienen und Gesten, mit denen sie ihr leises Gespräch begleiteten, erkannte. Sie hatten die Überzeugung erlangt, daß das Farmhaus so wenig Verteidiger beherberge, daß dieselben gar nicht in Betracht zu ziehen seien. Nach einiger Zeit stand der eine von ihnen auf und ging anscheinend harmlos zu der nächsten Schießscharte, durch welche er hinausblickte. Dies wiederholte sich einigemal und war ein sicheres Zeichen, daß diese Kerls die Ankunft der Tramps bald erwarteten. Old Firehand stand wieder oben am Fenster und beobachtete durch das Fernrohr die Gegend, aus welcher dieselben kommen mußten. Sie hatten sich vorhin nach Absendung der Boten wieder zurückgezogen, so daß man sie nicht mehr sehen konnte; jetzt aber kamen sie endlich abermals zum Vorscheine und zwar im Galopp, um die Strecke, auf welcher sie von der Farm aus gesehen werden konnten, so schnell wie möglich zurückzulegen.
Man sah, daß sich unter ihnen welche befanden, die die Örtlichkeit kannten, denn sie nahmen ihre Richtung schnurgerade auf die Furt zu. Als sie dieselbe erreichten und durch den Verhau maskiert fanden, hielten sie an, um die Stelle zu untersuchen. Jetzt war die Zeit zum Handeln für Old Firehand gekommen. Er ging hinab zum Thore. Eben stand wieder der eine vor der Schießscharte und lugte hinaus nach seinen Kameraden. Er erschrak sichtlich, als er sich bemerkt sah, und trat rasch zurück.
»Was thust du hier? Was hast du an dem Loche zu schaffen?«
fragte ihn Old Firehand in barschem Tone.
Der Gefragte blickte verlegen an dem riesigen Manne empor und antwortete. »Ich - - ich wollte - ich wollte sehen, wo wir nun hingehen.«
»Lüge nicht. Euren Weg kennt ihr bereits. Er führt hinaus an den Fluß zu den Menschen, welche sich dort befinden.«
»Welche Menschen meint Ihr, Sir?« fragte der Mann mit erheucheltem Erstaunen. »Ich habe niemand bemerkt.«
»Wäre das wahr, so müßtest du blind sein. Du mußt die Reiter gesehen haben.«
»Keinen einzigen von ihnen! Wer sind sie?«
»Gib dir keine Mühe, dich zu verstellen, sie ist doch unnütz, Ihr gehört zu den Tramps vom Osage-nook, welche uns überfallen wollen, und seid von ihnen abgeschickt.«
Da nahm der Kerl die Miene schweren Gekränktseins an und rief im Tone der Entrüstung aus: »Was? Tramps sollen wir sein? Sir, wir sind ehrliche und fleißige Arbeiter, und haben mit Vagabunden, falls es solche hier geben sollte, nichts zu schaffen. Wir suchen Beschäftigung, und da wir bei Euch keine finden, so werden wir weitergehen, um anderwärts anzufragen.
Uns zu solchem Gesindel zu zählen, ist eine Beleidigung für uns. Überlegt Euch die Sache recht! Wäre es wahr, daß Tramps Euch überfallen wollten, und daß wir zu ihnen gehörten, was hätte es für einen Zweck, daß wir vorher zu Euch kämen?
Das wäre ein Wagnis, welches uns sehr schlecht bekommen könnte.«
»Es hat einen sehr bestimmten Zweck. Unsre Mauern sind hoch; darum habt ihr unter dem Vorwande, Arbeit zu suchen, zu uns gehen müssen, um euren Kumpanen das Thor von innen zu öffnen. Aus diesem Grunde habt ihr euch so nahe an dasselbe gesetzt.«
»Sir!« brauste der Mann wie zornig auf, indem er in die Tasche griff. Aber Old Firehand hatte sofort seinen Revolver in der Hand und drohte: »Laßt eure verborgenen Waffen stecken!
Sobald ich eine solche sehe, drücke ich los. Ja, euer Kommen ist ein Wagnis, denn ich könnte euch jetzt festnehmen und zur Rechenschaft ziehen; aber ihr seid mir so wenig fürchterlich, daß ich euch laufen lassen werde. Geht also hinaus und sagt dem
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