Der Schatz im Silbersee
Fräulein noch derzu?«
»Allerdings,« nickte Old Firehand.
»Sollte mersch denke, daß so was möglich is. Nu werde de Tramps denke, daß se off'n große Pferd sitze; se werde komme und große Forderunge mache. Und wir? Was werde wir daroff antworte?«
»Nun, was raten Sie?« fragte Old Firehand, indem er einen lustig forschenden Blick auf den Kleinen warf.
»Das könne Se noch frage!« antwortete dieser. »Nischt, gar nischt wird zugeschtande. Oder wolle Se etwa gar een Lösegeld gebe?«
»Sind wir nicht dazu gezwungen?«
»Nee und nee, und abermals nee! Diese Halunke könne gar nischt mache. Was wolle se thue? Etwa die Gefangene erschlage? Das wird ihne nich einfalle, denn dann hätte se unsre Rache zu fürchte. Zwar werde se uns dermit drohe, wir aber gloobe es nich und lache se eenfach aus.«
»Aber wir haben, selbst wenn Ihre Vermutung richtig ist, Rücksicht auf die Gefangenen zu nehmen, deren Lage jedenfalls eine höchst unangenehme ist. Wenn man sie auch an Leib und Leben schont, so wird man ihnen doch sonst alles mögliche anthun und ihnen in der Weise mit Drohungen zusetzen, daß sie sich ganz unglücklich fühlen.«
»Das kann ihne gar nischt schade; das müsse se sich gefalle lasse. Warum sind se so unvorsichtig in den Gänseschtall gekroche! Es wird ihne in Zukunft zur Warnung diene, und übrigens wird das Elend gar nich lange dauern. Wir sind ja da, und es müßte mit dem Kuckuck zugehe, wenn wir nich Mittel und Wege fände, sie aus der Patsche herauszuhole.«
»Wie wollen wir das anfangen? Haben Sie einen Plan?«
»Nee, noch nich; is ooch gar nich nötig. Zunächst müsse mer abwarte, was weiter geschieht; dann erscht könne mer handle.
Es is mer ganz und gar nich angst, wenigstens nich um mich denn ich kenne mich. Is der richtige Oogenblick da, so wird mer sicher ooch der richtige Verschtand komme. Warte mer nur de Nacht ruhig ab, und passe mer off, wo se Lager mache. Da werde ich mich so successive hineinschlängle, um de Gefangene herauszuhole.«
»Ich traue Ihnen dieses Wagnis ganz gerne zu, aber es ist höchst gefährlich!«
»Papperlapapp! Sie und ich habe schon ganz andre Dinge unternomme. Mer sind alle beede nich off de Kopp gefalle. Een altes Altenburger Sprichwort sagt: ›Mache könne mersch, denn habe thune mersch.‹ So is es ooch hier. Wersch im Koppe hat, nämlich de angeborene Intelligenzigkeet, bei dem kann's in der Ausführung gar nich fehle. Mer werde uns doch nich vor solche Heiducke fürchte, wie diese Tramps sind, die noch gar nich dahin geroche habe, wo Barthel den Most gefunde hat. Ich denke, daß - - halt!« unterbrach er sich. »Passe Se off! Jetzt komme se. Zwee Kerls, grad offs Haus zu. Se schwenke de Tücher in de Fingersch, damit mer sehe solle, daß se als Parlamentärsch reschpektiert werde müsse. Werde Se mit ihne rede?«
»Natürlich! Um der Gefangenen willen muß ich wissen, was man von uns fordert. Kommen Sie!«
Die beiden begaben sich in den Hof, wo die Besatzung an den Schießscharten stand, um die zwei Unterhändler zu beobachten. Diese blieben außerhalb Schußweite stehen und winkten mit den Tüchern. Old Firehand öffnete das Thor, trat hinaus und gab ihnen ein Zeichen, herbei zu kommen, welcher Aufforderung sie folgten. Als sie ihn erreicht hatten, grüßten sie höflich, gaben sich aber Mühe, möglichst zuversichtliche Gesichter zu zeigen.
»Sir, wir kommen als Abgesandte,« sagte der eine, »um unsre Forderungen zu stellen.«
»So!« antwortete der Jäger in ironischem Tone. »Seit wann wagen es die Prairiehasen, zum Grislybären zu gehen, um ihm Befehle zu erteilen?« Der Vergleich, dessen er sich bediente, war gar nicht so übel. Er stand vor ihnen so hoch, so breit und mächtig und aus seinen Augen schoß ein Blick auf sie, daß sie unwillkürlich einen Schritt zurückwichen.
»Wir sind keine Hasen, Sir!« erklärte der Sprecher.
»Nicht? Nun, dann wohl feige Prairiewölfe, welche sich mit Aas begnügen? Ihr gebt euch für Parlamentäre aus. Räuber seid ihr, Diebe und Mörder, welche sich außerhalb des Gesetzes gestellt haben, und auf die jeder ehrliche Mann also nach Belieben schießen kann!«
»Sir,« fuhr der Tramp auf, »ich muß mir solche Beleidigungen -
- - «
»Schweig, Halunke!« donnerte Old Firehand ihn an.
»Spitzbuben seid ihr, weiter nichts! Es ist eigentlich eine Schande für mich, daß ich mit euch rede. Ich habe euch die Annäherung auch nur aus dem Grunde gestattet, um einmal zu sehen, wie weit solches
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